■ Ökolumne: Falsches Spiel Von Hiltrud Breyer
Geht es um die Energiesteuer, verstecken sich die Abwiegler gerne hinter der EU. Doch inzwischen gibt es Vorreiter: Dänemark, die Niederlande, Finnland und Schweden haben Energiesteuern eingeführt. In Großbritannien wird Diesel und Benzin jedes Jahr um real sechs Prozent verteuert. Die Bundesregierung tut so, als gebe es nur die Alternative zwischen einer EU-weiten Energiesteuer und dem „nationalen Alleingang“. Wobei letzterer natürlich die Wirtschaft gefährde. Gerade dieses Entweder-Oder ist schuld daran, daß die Energiesteuer auf EU-Ebene derzeit politisch tot ist.
Es stimmt zwar, daß bislang die neue Steuer an der erforderlichen Einstimmigkeit im EU-Ministerrat scheitert. Doch bereits im Jahr 1993 hat der konservative ehemalige niederländische Ministerpräsident Lubbers einen Vorschlag gemacht, der den Weg aus dem Dilemma weist: Das Ziel, den Ausstoß an Kohlendioxid zu senken, wird EU-weit vorgegeben – der Weg aber bleibt den Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Gescheitert ist der Vorschlag zunächst an Deutschland, das damals die Ratspräsidentschaft innehatte.
Aktuell sähe das Modell so aus: Alle Mitgliedsstaaten sind bereits an das auf dem Klimagipfel in Kioto beschlossene Reduktionsziel für Treibhausgase von insgesamt acht Prozent gebunden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine kombinierte Kohlendioxid- und Energiesteuer beschlossen. Dem schließen sich die vier Energiesteuer-Vorreiterstaaten an. Gleiches gilt für die Staaten, die sich an dem seit zwei Jahren bestehenden informellen Arbeitskreis des EU-Umweltministerrats „Freunde der Ökosteuer“ beteiligen. Das sind neben den Vorreitern zusätzlich Deutschland, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Österreich. Sie verpflichten sich ebenfalls, die Steuer sofort einzuführen.
Kein Mitglied wird zur Steuer verdonnert: Die übrigen Staaten dürfen das Ziel auch mit anderen Maßnahmen erreichen, etwa indem Selbstverpflichtungen mit der Industrie vereinbart oder Kohle durch Gas ersetzt wird, wie in Großbritannien durch den Wegfall der Kohlesubvention. Erst wenn bis zum Jahr 2005 absehbar ist, daß diese Maßnahmen nicht dazu führen, das Reduktionsziel pünktlich bis 2010 zu erfüllen, werden sie allerdings in die Energiesteuer einbezogen.
Den Bremserstaaten wird durch diesen Vorschlag der Wind aus den Segeln genommen, gegen eine Energiesteuer zu argumentieren. Sie bekommen die Möglichkeit zu zeigen, ob und wie eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes ohne Energiesteuern möglich ist. Einen Verlust der Wettbewerbsposition muß niemand befürchten. Gerade die Staaten, die die Vorhut übernehmen, stehen in enger wirtschaftlicher Konkurrenz. Da die Steuer aufkommensneutral ist, werden die Erträge nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwandt. Durch höhere Energiepreise, Förderung erneuerbarer Energien und sinkender Lohnnebenkosten wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewahrt und der ökologische Umbau vorangetrieben, sondern gleichzeitig die Arbeitslosigkeit bekämpft.
Aber insgeheim gehört die Bundesregierung weiter zu den Bremsern. Ihre Strategie besteht genau darin, hartnäckig auf der zeitgleichen Einführung in allen Mitgliedsländern zu beharren – um so die Energiesteuer zu verhindern, ohne selbst dafür den Schwarzen Peter zugeschoben zu kriegen. Mit diesem Plan ist Kanzler Kohl schon sieben Jahre lang erfolgreich. Und er hat stets darauf geachtet, daß sich die Blockade nicht auflöst: In den nächtlichen Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag verhinderte sein persönlicher Einsatz den dänisch-schwedischen Vorschlag, eine Energiesteuer künftig auch mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen zu können. Kohl hatte der deutschen Industrie versprochen, die Energiesteuer zu verhindern.
Die Vertagung der Energiesteuer auf den Sankt Nimmerleins-Tag ist aber ein blanker Zynismus gegenüber Millionen arbeitsloser Menschen in Europa. Zahlreiche Studien haben ihren positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt bewiesen. Die Umsetzung der ökologischen Steuerreform müßte auch oberste Priorität einer rot-grünen Bundesregierung sein. Die im Januar beginnende deutsche Ratspräsidentschaft bietet eine hervorragende Chance, das Vorreiterkonzept in der EU durchzusetzen. Sie könnte endlich den Weg zu einer europäischen ökologischen Steuerreform ebnen.
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