Lady Di und das Playmobil

■ „Von enroV & von Hinten“: „Style Police“mit neuem Fanzine

Kürzlich wurde bei einem Treffen der Initiative „Lebendige Stadt“mal wieder in die Biere geseufzt und beklagt, daß es keine relevanten Fanzines mehr gibt, die es zu lesen lohnt. Der Underground ist sprachlos wie die Musik der Zeit, ganz egal ob Surf, Techno oder Easy Listening. B-Boy, Punker, Trashfan oder DJ, ohne etwas Theorie und Inhalt stehen sie wie Action Figuren ohne Verpackung da und werden von Kinderhänden respektlos durcheinandergemixt. Subkultur wird als Amateurliga betrachtet seit die Industrie ihre eigenen Underground-Abteilungen im Sortiment hat. Das konnte nicht so weitergehen, und deshalb fand sich eine Schar von alten Haudegen und jungen Talenten zusammen, um ein neues Heft zu machen, das stilübergreifend seinesgleichen suchen sollte.

Die erste Nummer des „Von Vorne und von Hinten“ist erschienen und Mr. Sulu strahlt vierfarbig vom Cover. Die Namensfindung war nicht leicht. Ein Teil der Redaktion hatte als „die letzte Generation“für „Europas größtes und einziges monatliches Fanzine“, das „Zap“geschrieben. Nach 150 Ausgaben, mehreren Fußballturnieren und diversen Chaos-Tagen war das Magazin 1997 eingegangen, und die Ära Hardcore ging zu Ende, bevor sie in zwangsneurotischen „Fit for Fun“-Attitüden und bürgerlichen Benimmregeln verendete. Die Nr. 1 des „vvuvh“hält sich nicht mit Platten-Rezis, Interview-Geschwätz und ähnlichen Standards auf. 10jährige Mädchen interviewen stattdessen deutsche Rap-Queens, Star Trek-Fans werden gedisst, die Unfälle von Falco und Lady Di mit Playmobil nachgestellt und Motorrad-Ass Hermann von Hinten glänzt mit den „Terrorgruppe Tagebüchern“der bekannten und beliebten Funpunk-Band. Vor allem hat es der „Style Police“, wie das Heft ursprünglich heißen sollte, das Warensortiment der 80er und 90er angetan. Von der Schmeckefuchs-Milch bis zum Burger-Guide, zengleich werden kulturelle Strömungen sortiert und aufbereitet : Sitcoms, die zehn schlechtesten Schlagersingles (wie z.B. „Der Weihnachtsmann sagt er ist Elvis“von Maggie Mae und solche Sachen), Tatort-Kommissare, deutsche Textzeilen in U.S.-Songs, die niemand kapiert, Comics, Film und all der Popularschund der Nachkriegskultur. Auch die Anarchistische Pogo Partei Deutschland , „der legale Arm der Chaos-Tage“, kommt zu Wort und äußert sich zur „Presseerklärung der APPD-Frauen“, welche die „Übergabe aller Mitfickzentralen in Frauenhand“fordern. Kanzlerkandidat Karl Nagel bescheinigt diesen daß ihr „unsolidarisches, egozentrisches und intrigantes Verhalten sie automatisch zu Führungspositionen der APPD prädestiniert.“

„Wir wollten mit dem Heft vor allem die Lücke füllen, die entstanden ist, seit es das 'Gags & Gore' nicht mehr gibt“gibt Herausgeber Hilmar Bender offen zu. Die nächste Nummer soll pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft erscheinen, und mit etwas Graphik-Schnickschnack wird das Heft zumindest die Lücke schließen, die das „Tempo“hinterlassen hat. Zeitgeist is not dead ! StErn

Die Redaktion des neuen Fanzins sitzt zwar in 45701 Herten, der Vertrieb aber in 28199 Bremen