Die braune Walze erreicht Magdeburg

■ Mit ihrem Wahlerfolg drängt die rechtsradikale DVU des Münchner Verlegers Gerhard Frey SPD und CDU in Sachsen-Anhalt in Richtung große Koalition. Bei den unter 30jährigen ist sie stärkste Partei. Der SPD macht die Siegesfeier in Magdeburg keinen rechten Spaß mehr

Am Sonntag abend, 18.28 Uhr, zog die rechtsextremistische Deutsche Volksunion (DVU) in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein. Mit einem dunklen BMW fuhr der Bundesvorsitzende Gerhard Frey auf dem Magdeburger Domplatz vor, stieg aus und erklomm die Treppenstufen zum Portal. Etwas Applaus, laute Pfiffe. Weiter als bis in das Foyer kam der Münchner Verleger vorerst nicht. Eine Horde von Kameraleuten und Fotografen drückte Frey an die Wand. Er sehe einer Koalition von SPD und CDU freudig entgegen. „Sie haben den Karren gemeinsam in den Dreck gefahren. Sie sollen ihn gemeinsam wieder herausziehen.“

Der DVU-Vorsitzende strotzte vor Selbstgefälligkeit. Die Menschen in Sachsen-Anhalt, die seiner Partei den bisher größten Triumph ihrer Geschichte beschert haben, seien „sehr tüchtig“ und „intelligent“. „Es ist nicht der Untergang der Erde, daß wir drin sind“, sagte Frey. Bei der Frage nach den Zielen der DVU schwieg er. „Demagoge!“, brüllte jemand, und „Nazis raus hier!“ Wie eine Walze schoben sich Frey und der Kamerapulk dann durch das Erdgeschoß des Landtags. Bilder fielen von den Wänden, Fernsehscheinwerfer stürzten um. „Machen Sie den Weg frei“, verlangte Frey. Er wollte ins Wahlstudio des ZDF, seinen Sieg feiern.

Der Wahlparty der SPD haben die Rechtsextremisten ordentlich die Stimmung verdorben. Direkt neben der Staatskanzlei an der feinen Hegelstraße hatten die Sozialdemokraten ein blau-weißes Bierzelt aufgebaut.

Eine Dixielandband spielt seit 17 Uhr, es gibt Hasseröder Bier und Bratwurst. Jeder Gast erhält eine rote Nelke. Alles freut sich auf die ersten Zahlen. Wieviel über 40 Prozent die Partei des Ministerpräsidenten Reinhard Höppner wohl bekomme, war die meistdiskutierte Frage.

Die CDU hat sich gar nicht auf großes Feiern eingerichtet. In eine leere Büroetage hat sie ein paar Stehtische geräumt. Zu Beginn der Wahlparty sind erst eine Handvoll Gäste da, und fast doppelt so viele Journalisten. Parteisprecherin Pia Heim sagt, niemandem könne der Einzug der Rechten in den Landtag recht sein.

Doch wie es aussieht, wird genau der DVU-Wahlsieg eine große Koalition erzwingen. Eine Minderheitsregierung, die sich im Landtag jeweils ihre Mehrheit sucht, ist kaum noch denkbar. Als im vollen SPD-Festzelt Punkt 18 Uhr die erste Prognose der ARD auf den Monitoren erscheint, klatschen die Gäste erstmal. Die CDU unter 30 Prozent. Verhaltene Reaktion bei den 38 Prozent für die eigene Partei, Aufatmen, daß die PDS wohl unter 20 Prozent beibt und damit ihr erklärtes Ziel verpaßte. „Au!“ ruft jemand beim Resultat der Grünen. Und dann die DVU. Der Balken in der Fernsehgrafik hört und hört nicht auf zu wachsen. Zehn Prozent! „Scheiße!“

Es dauert etliche Sekunden, bis die Gespräche wieder einsetzen. „Ich hoffe, daß die Zahl im Laufe des Abends noch nach unten geht“, meint Hartmut Tölle von der IG Metall. Eine junge Frau, einfaches SPD-Mitglied, wundert sich nicht: „Das Ergebnis ist zu verstehen bei der Lage hier im Land.“

Eindeutig sind die Wünsche darüber, wie es weitergehen soll nach der Wahl. Fast niemand findet sich, der eine Koalition mit der CDU möchte. Hartmut Theilmann, Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion, kann sich „nicht vorstellen, daß mit den Leuten, die bisher für die CDU im Landtag saßen, irgendetwas für das Land zu bewegen“ ist. Der aus Niedersachsen stammende Gewerkschafter Tölle wünscht sich, „daß es so weitergeht wie bisher“. Also eine Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wird. „Wahlsieger ist eindeutig die SPD. Die kann doch jetzt nicht mit der CDU, dem absoluten Loser zusammengehen“, so Tölle. Auch die Bonner Wünsche sind für ihn kein Argument gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS. „Herr Schröder hat hier nicht kandidiert.“

Rüdiger Betko lehnt mit einem halbvollen Glas Bier an seinem Stehtisch. „Höppner wird mit der PDS weitermachen“, ist er sich sicher. Betko hat 1989 die Ost-SPD mitgegründet, die Partei im Bezirk Magdeburg mit aufgebaut. Er wirft der CDU ihre Blockflötenvergangenheit vor. Deshalb ist für ihn die Frage „PDS oder CDU?“ müßig. Beide seien „doch sowieso dasselbe“. Toralf Staud, Magdeburg