Der bedächtige Landesvater

■ Sachsen-Anhalts alter und neuer Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) – ein Mann des Ausgleichs

Magdeburg (taz) – Jetzt, nach der Landtagswahl, kann Reinhard Höppner wieder seinem eigentlichen Beruf nachgehen: Rechnen. Der 49jährige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat den Umgang mit Zahlen und Prozentwerten einst an der TU Dresden studiert. Als er 1994 das „Magdeburger Modell“ austüftelte, die von der PDS gestützte rot-grüne Minderheitsregierung, hielten ihm Skeptiker vor, das sei die Quadratur des Kreises. Er entgegnete, von diesem mathematischen Problem verstehe er eine ganze Menge, „da gibt es hervorragende Näherungswerte“.

Höppner hatte seit 1980 als Präses der Synode der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen genügend Gelegenheit, das Moderieren und Vermitteln von Problemen und Konflikten zu üben. 1989 war Höppner dann Mitbegründer der SDP, des DDR-Ablegers der Sozialdemokratie. Als Vizepräsident der letzten Volkskammer erwarb er sich Respekt als disziplinierter Moderator der bisweilen turbulenten Sitzungen. Im Herbst 1990 zog er dann als Oppositionsführer in den ersten Landtag von Sachsen- Anhalt ein.

Höppner sah drei CDU/FDP- Regierungen kommen und gehen. Der erste Ministerpräsident Gerd Gies stolperte über eine Stasi-Affäre. Dessen Nachfolger, der Westimport Werner Münch, trat nach Vorwürfen, er habe sich ein überhöhtes Gehalt erschlichen, zurück. Der dritte Ministerpräsident war Christoph Bergner, der die CDU bei den Wahlen 1994 aus dem Stimmungstief zum knappen Sieg führte – und trotzdem nicht wieder Regierungschef wurde.

Höppners „Magdeburger Modell“ erwies sich als überraschend stabiles Bündnis. Als Krisenmanager machte er in seinem Land, das wie kaum ein anderes vom Zusammenbruch der DDR-Industrie betroffen war, eine gute Figur. Er fand Gefallen an der Rolle des bescheidenen und bedächtigen Landesvaters – anders als seine sächsischen oder brandenburgischen Amtskollegen ist Höppner kein Volkstribun. Er pflegt einen integrativen Regierungsstil und bekennt freimütig, daß ihn die Brutalität des politischen Geschäfts ärgert, daß er Streit am liebsten am „Runden Tisch“ löst. Der Vater dreier Kinder nennt sich selbst „eher einen Linken“.

Das jetzige Wahlergebnis in Magdeburg paßt nur höchst bedingt in das Konzept der Bundes- SPD. Der Zwang, entweder in einer großen Koalition mit der CDU zu regieren, oder, eher unwahrscheinlich, eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der PDS zu führen, verdüstert Höppners Wahlsieg als Muster für die Schröder-Kampagne im Herbst. Toralf Staud