■ Standbild: Fernab des Gesülzes
„Do Shanh – der letzte Film“, Sonntag, ZDF
Nu geht's aber los! Jetzt fangen auch schon Dokumentarfilmer, denen nichts mehr einfällt, damit an, ihre gesammelten Werke wie Pop- und Pornoproduzenten zu „Best of“-Compilations zusammenzuschneiden. Hätte man, nach der Vorabinformation, daß Hans-Dieter Grabe hier viel Material aus seinen früheren Filmen verwertet hatte, ja im Vorfeld meinen können.
Aber letztlich war Grabes Rückblick auf seine Langzeitbeobachtung des Vietnamesen Do Sanh von solch schnödem Programmrecycling denkbar weit entfernt. Wo manch anderer Filmemacher den Aidstod seines „Hauptdarstellers“ zum Anlaß für einen tränenreichen Nachruf genommen hätte, enthielt sich Grabe wohltuend jeder billigen Betroffenheit.
Sein Film begann mit dem von einem Arzt emotionslos verlesenen Protokoll des Sterbens von Do Sanh und endete mit Bildern von dessen Witwe, die sich mit einem per Hand betriebenen Rollstuhl durch das Verkehrschaos bewegte. Eine scheinbar schier endlose Einstellung, zu der einem unwillkürlich so ein vielbelächeltes und ausgelutschtes Attribut wie „beklemmend“ einfiel.
Dazwischen ein paar Bilder von den Feierlichkeiten zum einjährigen Todestag Do Sanhs und immer wieder die vergebliche (Spuren-)Suche nach seinem Geburtsort sowie Aufnahmen von einer Parade. Mehr gab es an aktuellen, 1997 gedrehten Bildern kaum zu sehen.
Wobei der Umstand, daß Do Sanh just an jenem 30. April starb, an dem die jetzigen Machthaber alljährlich eine Jubelparade anläßlich ihres Sieges im Vietnamkrieg veranstalten, eine geradezu tragikomische Koinzidenz darstellt. Nicht minder makaber: Jenes letzte Foto von Do Sanh, auf dem er eine Flasche mit Mineralwasser vor sich stehen hat, das ausgerechnet „La Vie“ heißt.
Aber auch das alte Material erschien hier vor dem Hintergrund des mehr als tragischen Ausgangs der Geschichte in einem anderen Licht. Jene Hoffnungsschimmer, die sich seinerzeit mit den Therapieerfolgen verbanden – lauter Vergeblichkeiten, die Grabe hier quälend nüchtern bilanzierte, ohne im Kommentar irgendwelche eitlen Statements der persönlichen Anteilnahme darüber zu sülzen.
Ein in mehrfacher Hinsicht riskantes Filmprojekt, aber absolut souverän und integer bewältigt. Reinhard Lüke
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