DVU-Erfolg in Arbeitslosenhochburgen

Unternehmerverbände warnen nach dem rechten Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt vor verschreckten Investoren und werben für eine Große Koalition. Wirtschaftspolitiker nehmen rechtsradikales Votum nicht ernst  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – „Wir finden das ganz erschreckend“, kommentierte Antje Schüler, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, das Ergebnis der DVU bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Aber ob es einen Einfluß auf die Haltung potentieller Investoren haben werde, wie der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) und andere Unternehmerverbände auf Bundesebene gleich am Montag morgen gewarnt hatten? „Wenn ein ausländischer Unternehmer die Wahl zwischen zwei Standorten hat, wird er sich für den entscheiden, an dem bürgerliche Parteien das Sagen haben.“ Und dafür sei weniger das Ergebnis der DVU ausschlaggebend als die Frage, wie die künftige Regierung aussehen werde. Eine Große Koalition würde die Wirtschaft also beruhigen.

Bei den „allermeisten, die für die DVU gestimmt haben“, handele es sich lediglich um Protestwähler, glaubt man im Magdeburger Wirtschaftsministerium. Die DVU-Wähler verträten gar „nicht tatsächlich rechtsradikale Ansichten“. Pressesprecher Totzek beruhigt: „Es ging doch hauptsächlich um einen Denkzettel für die Bundesregierung. Man kann nicht sagen, daß wir hier 13 Prozent Ausländerfeindlichkeit haben.“ Befürchtungen, daß das Image Deutschlands nun neuen Schaden genommen habe, hält er für übertrieben. Es gebe auch keinen Fall in der Bundesrepublik, in dem Unternehmer sich nur wegen eines Regierungswechsels aus Verhandlungen zurückgezogen hätten.

Tatsächlich trifft es zu, daß die DVU an den Standorten, an denen die meisten Arbeitsplätze verlorengingen, die meisten Stimmen gewonnen hat. In den DVU-Hochburgen wie in Wolfen und Bitterfeld und auch im Chemiedreieck Buna/Leuna/Halle ist von den einstigen Kernen nicht viel übriggeblieben. Auf den Geländen der einstigen Filmfabrik Orwo-Wolfen mit ihren 17.000 Beschäftigten und des abgewickelten Chemiekombinats Bitterfeld mit noch einmal 18.000 Arbeitsplätzen dümpeln heute Gewerbeparks mit kleinen und mittleren Unternehmen vor sich hin. Immerhin, rund 370 Unternehmen haben hier mehr als 2 Milliarden Mark investiert und knapp 10.000 Stellen geschaffen.

Jetzt kriegen Bundes- und Landesregierung den Denkzettel für ihre Investitionspolitik. Riesige Summen haben sie draufgelegt, um ein paar große Industrien anzusiedeln. Der französische Staatskonzern Elf machte bei dem 5-Milliarden-Mark-Projekt der Raffinerie Leuna erst mit, als er die Tankstellenkette Minol und zusätzliche Subventionen bekam – für 500 Arbeitsplätze. Die versprochene Sogwirkung auf die Zulieferer blieb bislang aus. Die EU-Wettbewerbskommmission wurde längst mißtrauisch. Das ehemalige Chemiekombinat Buna übernahm der US- Konzern Dow Chemical erst, als 10 Milliarden Mark auf dem Tisch lagen. Mindestens 1 Milliarde soll dabei unerlaubt an Dow geflossen sein.

Insgesamt sind in Sachsen-Anhalt seit 1994 rund 75.000 Stellen verlorengegangen, die Arbeitslosenquote ist von 15,2 aus 22,6 Prozent gestiegen. Aber für all das machen Kritiker nicht in erster Linie die Landesregierung verantwortlich. Die Schelte gilt vielmehr der Treuhandnachfolgerin BvS und damit auch hier der Bundesregierung, die Unternehmen und Arbeitsplätze an finanzschwache oder gar kriminelle Investoren abgegeben habe.

„Das wirkt nach“, hatte Wolfgang Eggers von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wisa in Magdeburg bereits im Vorfeld gegenüber der taz erklärt. Was das Land dem nun entgegenzusetzen habe, seien „schnelle und leichte Genehmigungen für Investoren“ und vor allem „ein Lohnniveau, das sich mit dem weiter im Osten vergleichen läßt“. Dem BDI ist das längst nicht genug. Ein Sprecher sagte gestern: Um das Problem „Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze“ zu lösen, gebe es jetzt nur noch eins: Runter mit Löhnen und Lohnnebenkosten. Kommentar Seite 12