: Das Dorf der gut-bürgerlichen Flüchtlinge
AnwohnerInnen diskutieren über Pavillon-Nutzung in Groß Flottbek ■ Von Elke Spanner
Fettnäpfchen lauern allerorten. Sie zu umschiffen, ist das Ziel aller Anwesenden. Ob Flüchtlingsfamilien aus Bosnien und Afghanistan in ein Pavillondorf im feinen Stadtteil Groß Flottbek umgesiedelt werden, steht derzeit im Bezirk Altona zur Entscheidung an. Vor zwei Wochen wurden auf einer öffentlichen Anhörung zu dem Thema offen Ablehnung und Rassismus ausgelebt. Am späten Montag abend nun haben jene AnwohnerInnen zu einer Versammlung geladen, die über die Debatte „beschämt“sind.
Es gibt einiges zu verlieren: Für den Trägerverein „pflegen & wohnen“die Möglichkeit, Flüchtlinge in dem Pavillondorf unterzubringen, das bislang nur deutschstämmige AussiedlerInnen bewohnten und wo nun Plätze frei sind. Und für die AnwohnerInnen des Hem-mingstedter Wegs ihren Ruf. „Wir wollen nicht der Buhmann sein“klagt eine Frau.
Sie sieht sich nicht als fremdenfeindlich, sondern als Opfer mangelhafter Informationspolitik. Spät erst seien die AnwohnerInnen über die Pläne von „pflegen & wohnen“unterrichtet worden. Nicht zu spät allerdings, um sich noch in einer Bürgerinitiative gegen die Flüchtlinge zu organisieren und so die Entscheidung der Bezirksversammlung, die für den kommenden Donnerstag avisiert war, zu verzögern.
Die Vertreter von „pflegen & wohnen“versuchen, die Flüchtlinge als für den bürgerlichen Stadtteil kompatibel anzupreisen. Nur „ausgesuchte Gruppen“würden in den Hemmingstedter Weg ziehen, betont Unternehmensbereichsleiter Jürgen Coym, „von denen wir wissen, daß sie sich pfleglich in Unterkünften verhalten“. Eine Lehrerin der nahegelegenen Schule will die Pläne damit schmackhaft machen, daß auch Flüchtlinge „ganz normale Familienverhältnisse haben, wie es sie bei uns auch gibt“. Jochen Menzel von terre des hommes versucht, dem ein Ende zu setzen: „Wir können Flüchtlinge nicht gegeneinander ausspielen in Gute und Böse.“Zwischenruf eines deutschen Familienvaters: „Die Bösen wollen wir hier aber nicht haben.“Applaus.
Der Mittfünfziger fühlt sich dadurch zu weiteren Ausführungen ermutigt. Die Aussiedler „stehen uns kulturell nahe, durch das Deutschtum“. Doch andere Ethnien, „die sind uns fremd“, und „ein Klein-Bosnien, mit Serben und so“, wolle man in Groß Flottbek auch nicht haben. Wiederum Applaus, jetzt etwas verhaltener.
Die Leiterin des Pavillondorfs, Lindhorst-Jost, ringt um Fassung und Sachlichkeit. Sie schlägt vor, daß alle Interessierten ihre Einrichtung besichtigen sollen. Und ein Schüler entwirft eine Unterschriftenliste, mit deren Text die Flüchtlinge angesprochen werden sollen: „Wir wollen, daß Sie wissen, daß sich auch viele auf die Nachbarschaft mit Ihnen freuen“liest er vor. Erleichterung bei den OrganisatorInnen der Veranstaltung, der Applaus ist begeistert. Bis eine AnwohnerIn dazwischenfragt: „Und was tut Ihr dann dafür?“
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