San-Marco-Besetzer frei

■ Italiens Justiz halbiert Strafen für militante Venezianer. „Weitere Aktionen“ angekündigt

Rom (taz) – Mit einer überraschend schnellen Entscheidung hat das Revisionsgericht von Mestre bei Venedig die Strafen halbiert, die das Schwurgericht gegen acht Männer eines separatistischen Kommandos ausgesprochen hatte, das am 9. Mai 1997 die Piazza San Marco in Venedig besetzt und den Campanile erklommen hatte und sich wenige Stunden danach der Polizei ergab.

Die Gefängnisstrafe der beiden Anführer, des 31jährigen Fausto Faccia und des 46jährigen Gilberto Buson, wurde von sechs Jahren auf drei Jahre und fünf Monate reduziert. Die anderen sechs dürfen sich künftig frei bewegen, müssen sich aber dreimal wöchentlich bei der Polizei melden. Die in Untersuchungshaft sitzenden Mitglieder des Kommandos „Freie Republik Serenissa“ wurden aufgrund des Strafnachlasses noch im Gerichtssaal freigelassen. Die acht wurden dann in Padua, wo die meisten von ihnen herstammen, mit großem Jubel empfangen und kündigten sofort weitere „spektakuläre Aktionen zur Befreiung des Nordens vom römischen Joch“ an.

Mit ihrer ersten bewußt rechtsbrechischen Aktion hatten die acht jungen Männer voriges Jahr weltweit Aufsehen erregt – nicht nur wegen ihrer politischen Ziele, sondern auch wegen der köpenickianischen Durchführung der Besetzung. Sie hatten einen Lastwagen mit Blech und Pappe zu einer Panzerwagenattrappe umgebaut, ein Transportschiff gekapert und das malerische Gerät frühmorgens auf dem Markusplatz abgestellt; das später oben am Campanile hervorgesteckte Gewehr erwies sich als leichte Schrotflinte.

Trotzdem hatten Roms Politiker sofort nach harter Bestrafung geschrien und von einem „Anschlag auf die Integrität des Staates“ geredet, worauf „lebenslänglich“ steht. In erster Instanz waren die acht dann zu Strafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt worden – vorwiegend wegen Besetzung öffentlichen Bodens, Entführung eines Schiffes und Propaganda separatistischer Parolen. Der nunmehrigen Freilassung voran ging einerseits die Einwilligung der Separatisten zum sogenannten „Patteggiamento“, bei dem die Angeklagten eine der ihnen vorgerworfenen Straftaten einräumen und die Staatsanwaltschaft dafür die anderen Punkte fallenläßt. Zum anderen hatte Venedigs Bürgermeister Massimo Cacciari, der dem Separatismus seit langem durch ein eigenes föderalistisches Projekt die Spitze zu nehmen sucht, die Nebenklage und die Schadenersatzforderungen der Stadt in Höhe von umgerechnet mehreren hunderttausend Mark zurückgezogen und so ein Signal zur Versöhnung gesetzt. Werner Raith