■ Welt Weit Grönling: Genetisch linkes System
Es gibt Leute, die können es einfach nicht lassen – und offenbar gehöre ich auch dazu. Dabei könnte das Leben doch so leicht sein: Jede Woche ein nettes Kolümchen, mal ein harmloses Witzlein über dieses, mal ein verfärbter Blick auf jenes. Aber manchmal passiert es, und ich steche völlig ahnungslos in ein Wespennest. Das gehört zum Kolumnistenleben, und ich kenne viele Kollegen, denen es genauso geht. Seltsamerweise passiert das immer dann, wenn man am allerwenigsten damit rechnet. Dabei habe ich doch nur mein Linux ein „Spielzeug“ genannt. Jawohl, das hab' ich, und zwar letzte Woche.
Was dann passierte, konnte ich nicht erahnen. Flames, bis der Server qualmt. Das ging von „Du hast ja keine Ahnung“ bis zur Mail, in der ich ein „Windoof- DAU“ genannt wurde. (DAU ist der „Dümmste Anzunehmende User“.) Oder Sibylle: Für sie ist Linux ein „genetisch linkes Computersystem“. Und von der taz hätte sie eigentlich mehr erwartet. Genetisch links? Es gibt gute und schlechte Systeme, einfache und komplizierte. Aber linke und rechte? Ohne Zweifel gehört Linux zu den guten Systemen, und etwas anderes habe ich auch nicht behauptet. Aber es ist ungeeignet für jemand, der Computer einfach nur zum Arbeiten braucht. Das ist ungefähr so, als würde ich zum Brötchenholen den Sattelschlepper nehmen. In Betrieben ab einer gewissen Größenordnung sehen die Dinge sicher ganz anders aus. Das Hausnetz der taz läuft unter Linux und der Internet-Server auch. Aber dort es gibt auch ein paar nette Leute, die sich darum kümmern.
Bleibt die ideologische Aura, die dieses System umgibt, der „Widerstand gegen Software- Monopole, die uns eine klicki- bunte glanzverpackte Welt vorgaukeln, Otto Normaluser aber in immer größere Abhängigkeit führen“. Da ist was dran. In den Siebzigern haben wir Karl Marx und Hermann Hesse gelesen, dagegen sind die Linux-Docs reine Bettlektüre. Linux als eine Art gesunder Selbstverteidigung? Ich bin ziemlich sicher, daß der Finne Linus Thorwald mit seinem Freeware-Unix etwas ganz anderes im Sinn hatte.
Schön und lehrreich waren die vielen Mails von Systemadministratoren aus Instituten und Betrieben. Sie alle haben ohne ideologische Verbrämung erklärt, warum dieses so ist und jenes anders. Und die Kolumne von letzter Woche war auch keine Provokation. Die hebe ich mir für ein esoterisches Gesamtkunstwerk namens „Apple Macintosh“ auf. Es ging lediglich um Männer, die beim Anblick schöner Spielzeuge feuchte Augen kriegen. Dieter Grönling
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