■ Daumenkino
: Bitter Sugar

Die kubanischen Rhythmen sind allgegenwärtig. Ob Gustavo (René Lavan), der junge, systemtreue Kubaner, mit seiner neuen Freundin Yolanda (Mayte Vilán) verliebt dazu tanzt, oder ob Gustavos Anarcho-Bruder Bobby (Larry Villanueva) mit seinen Kumpels in einer kaputten Straßenecke Havannas dazu abhängt. Dem fleißigen jungen Studenten, der auf das Regime vertraut, und der schönen Tänzerin, die streetwise ihre politische Erfahrung mit „Es ist schwer, seinen Idealen treu zu bleiben, wenn man Hunger hat“ zusammenfaßt, wird im modernen, widersprüchlichen Kuba das Leben und die Liebe schwergemacht. Um Gustavo herum müssen immer mehr verzweifelte Freunde und Verwandte Zugeständnisse an Fidels sozialistische Militärregierung machen. Bruder Bobby zieht nach mehreren brutalen Verhaftungen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt die selbstmörderische Konsequenz aus dem Parteislogan „Sozialismus oder Tod“: Er injiziert sich zusammen mit anderen rockeros als ultimativen Protest aidsverseuchtes Blut, wie es vor ein paar Jahren eine Gruppe von kubanischen Aussteigern wirklich tat und die Öffentlichkeit schockierte. Doch Gustavos Erkenntnisprozeß dauert trotzdem zu lange.

Regisseur Ichaso, geborener Kubaner und im Alter von 14 nach Miami emigriert, malt in seinem Film ein hoffnungsloses Bild von einer der letzten Bastionen des militanten Sozialismus. Seine Figuren wirken glaubwürdig, wenn auch die schwarzweiße, kontrastreiche Oberfläche die glatten Gesichter und Körper von Ken-Wahl- Lookalike René Lavan und Mayte Vilán fast zu schön, zu salsa-feurig erscheinen läßt. Doch da seine größtenteils kubanischen Darsteller von ähnlichen Erfahrungen berichten können, verliert er nicht die Authentizität. JZ

„Bitter Sugar“. Regie: Leon Ichaso. Mit René Lavan, Mayte Vilán u.a., USA 1996