SPD spricht mit CDU, Höppner mit der PDS

■ Sachsen-Anhalts SPD lotet Optionen für Regierungsbildung aus. PDS zu allem bereit

Berlin (taz) – Die SPD in Sachsen-Anhalt hat gestern erste Gespräche zur Bildung der neuen Landesregierung geführt. Partei- und Landtagsfraktionschef Rüdiger Fikentscher traf sich am frühen Nachmittag mit dem CDU-Landesvorsitzenden Karl-Heinz Daehre. Im Anschluß daran setzten sich Fikentscher und Ministerpräsident Reinhard Höppner mit der PDS-Fraktionschefin Petra Sitte und der PDS-Landesvorsitzenden Rosemarie Hein zusammen. Mit diesem Arrangement sendete Höppner subtile Signale aus: Die Partei hat zuerst mit der CDU Gespräche aufgenommen, Höppner selbst aber führte die erste Unterredung mit der PDS. Ergebnisse der Zusammenkünfte waren bis Redaktionsschluß nicht bekannt. Die SPD will am Wochenende auf einer Klausurtagung über weitere Verhandlungen entscheiden.

Im Vorfeld wurden bei SPD und CDU die Vorbehalte gegen die Bildung einer Großen Koalition lauter. Der linke Flügel der Sozialdemokraten veröffentlichte ein Positionspapier „Kurs halten – Kohl ablösen“, in dem eine Fortsetzung des „Magdeburger Modells“ gefordert wird. Die PDS-tolerierte Minderheitsregierung habe sich bewährt, fast 60 Prozent der Wähler hätten die daran beteiligten Parteien gewählt. „In einer Koalition mit der abgewählten CDU ist eine Fortsetzung des Magdeburger Kurses nicht möglich“, heißt es in dem vom mehr als 70 Personen unterzeichneten Appell. Im Ergebnis sei eine „Koalition des Großen Stillstands“ zu erwarten. Außerdem würde dies „einer gescheiterten Partei neuen Spielraum verschaffen und wäre ein Schlag gegen die Glaubwürdigkeit von Reinhard Höppner und der SPD.“ Zu den Unterzeichnern gehören SPD-Landtagsabgeordnete, einfache Parteimitglieder und hochrangige Gewerkschafter.

Der SPD-Vorsitzende Fikentscher betonte, falls die CDU „unangemessene Forderungen“ stelle, sei weiterhin auch eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung denkbar. Die Union müsse anerkennen, daß sie der Wahlverlierer ist. Sie müsse deutlich von ihren Wahlzielen abrücken, verlangte Fikentscher. Höppner sagte, oberstes Ziel der SPD in Sachsen-Anhalt sei der Sieg bei der Bundestagswahl.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Christoph Bergner, sagte, auch in seiner Partei gebe es Vorbehalte gegen ein Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten. Viele Mitglieder meinten, die Union müsse sich jetzt in der Oppositionsarbeit profilieren. Bergner betonte, er sei für eine Große Koalition – und „ohne Vorbedingungen“ zu Verhandlungen mit der SPD bereit.

Auch die PDS machte sich „ohne Restriktionen“ auf den Weg zu den Sozialdemokraten. Fraktionschefin Sitte sagte, die inhaltlichen Ziele beider Parteien in Sachsen-Anhalt seien ohnehin „nahezu deckungsgleich“. Es komme nur noch „auf die Frage an, wie wir den politischen Wechsel in Bonn nicht behindern“. Eine elegante Möglichkeit für die SPD wäre, wegen bundespolitischer Zwänge jetzt eine Koalition mit der CDU einzugehen, diese aber nach der Bundestagswahl platzen zu lassen und dann mit der PDS zu kooperieren. Käme es wirklich dazu, erklärt Petra Sitte, würde ihre Partei im September erheblich härter mit der SPD verhandeln. „Dann hängen die Trauben höher.“

Besondere Brisanz erhalten die Magdeburger Koalitionsverhandlungen durch das Gewicht Sachsen-Anhalts im Bundesrat. Ein Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU in Sachsen-Anhalt würde wahrscheinlich vorsehen, daß sich das Land bei strittigen Fragen im Bundesrat seiner vier Stimmen enthält. Kommt es im Herbst tatsächlich zum Machtwechsel in Bonn, hätte eine rot- grüne Regierung keine sichere Mehrheit im Bundesrat mehr. Toralf Staud