Gegen den Strich

In einer Zeit, in der sich alles, was eine Form hat, hochtrabend Design nennt, setzen drei Absolventen der Hochschule der Künste Akzente: mit „zoneblau“  ■ Von Kathi Seefeld

„Designer? Das müssen Kollegen von uns sein“, sagt Nick Schröder und lacht. „zoneblau“ ist „zoneblau“. Ein kleines Büro, fast über den Dächern in der Mitte Berlins mit einer Heizung, die still vor sich hin rostet und immerzu heizt, so daß die Fenster in diesen Tagen oft offenstehen und die Stimmen der Stadt bis in den vierten Stock hinaufdringen können. Uwe Kortmöller, Guy Impson und Nick Schröder haben bis vor nicht allzu langer Zeit noch an der Hochschule der Künste (HdK) „Design“ studiert. Doch „Designer“ sind andere.

Der Begriff, erklärt Uwe Kortmöller, sei ohnehin gerade auf dem besten Wege, überall verramscht zu werden. Designermöbel, Designerschuhe, Designerlampen, Designertoaster, Designereierbecher – an jeder Ecke und in jedem Kaufhaus wird mit „neuem Design“ geworben. Dabei, meint Nick Schröder, gehe es doch keineswegs um die hundertste neue Form für ein Produkt. „Etwas wirklich Neues entsteht, wenn man hinterfragt: Brauche ich überhaupt eine Kaffeemaschine, wenn mir der Kaffee frisch gebrüht oder anders zubereitet sowieso besser schmeckt?“ Das ist es, was sie auf der Hochschule gelernt haben: querdenken, bestehende Abläufe in Frage stellen.

Das Designstudium an der HdK reicht von Multimedia bis Modegestaltung. Auf den Lockmitteln von „zoneblau“ finden sich heute Begriffe wie „Produktentwicklung“, „Raumgestaltung“, „Graphik“. Guy, Nick und Uwe nennen sich, je nachdem, was gerade nicht inflationär daherkommt, „Gestalter“, „Produktentwickler“, „eines Tages vielleicht auch wieder Designer“, scherzt Guy Impson. „Natürlich haben auch wir“, räumt Uwe Kortmöller ein, „wie wohl die meisten mit dem Anspruch zu studieren begonnen, erst einmal die Dinge des Alltags zu verändern, in der Art, schönere Möbel oder Kaffeemaschinen schaffen zu wollen. Aber nach ein, zwei Jahren HdK sahen wir uns faktisch am anderen Ende der Welt.“

Neue Techniken, nicht selten auch alte Techniken neu entdeckt, bekennen die drei, seien als beste Voraussetzungen für das Entstehen neuer Produkte begriffen worden. Neue Produkte galten wiederum nur dann als wirklich neu, wenn sie auch eine neue Art der Nutzung beinhalten. Guy Impson befaßte sich in seiner Diplomarbeit 1996 zum Beispiel mit Möbeln, „Möbel zum Gießen“.

Nicht um einen besonders geschmackvollen Tisch oder Stuhl ging es, sondern um Möbel aus einem Material, das die Eigenschaft hat, die Raumtemperatur zu senken. Guy entwickelte einen Tisch und einen Paravent gewissermaßen auf tönernen Füßen. Die Terrakottastücke können gewässert werden, durch die entstehende Verdunstungskälte bleibt es im Zimmer angenehm kühl. „Solche Phänomene begeistern uns“, meint Nick Schröder. Seine Entwicklung fürs Diplom waren „Paratools“, „kleine Erfindungen, die auf das Prinzip des Parasiten setzen“. Ein winziges Wasserkraftwerk, das in Haushalten, die über keine Wasseruhr verfügen, den Strom für das Radio oder den Toaster faktisch über den Wasserhahn gewinnt. Uwe Kortmöller diplomierte mit Umzugskartons, die mit neuem Schnitt und sauberen Kanten als erste kostengünstige Regalmöbel nach dem Umzug genutzt werden können.

An der Hochschule, erzählen die drei, habe man für solche Dinge ein halbes Jahr Zeit gehabt und viel Freiraum. Im Berufsleben, wenn man von seinen Ideen auch leben möchte, sieht das anders aus. „Der Kunde kommt meist mit Vorstellungen zu uns, die geprägt sind, von Dingen, die er irgendwo gesehen hat“, sagt Kortmöller. „Manchmal stellen wir dann im Gespräch fest, daß diese Vorstellungen nicht wirklich den Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Dann versuchen wir, Angebote zu machen, zu zeigen, daß viele Dinge auch anders möglich sind.“ So waren bei der Einrichtung einer Zahnarztpraxis nicht neue Lampen aus Italien entscheidend, sondern die Frage, was kann in einem Wartezimmer den Patienten ablenken und ihm die Angst vor dem Arztbesuch nehmen. „Da wurde halt neben einer Spielecke auch ein Fernrohr installiert und statt des Zeitschriftenwühltisches Platz durch einen Ordner geschaffen.“ Eine Bürogemeinschaft, die mittags selber kocht, wurde zu einem großen Gemeinschaftstisch überredet.

„Kein Gegenstand, den wir entwerfen, ist bei uns funktionslos“, erklärt Nick Schröder, wohl wissend daß viele Kunden mit weniger zufrieden wären.

Mit ihrem Anspruch haben die drei von „zoneblau“ inzwischen selbst bei Siemens Erfolg. Nach einer neuen Imagebroschüre, die frech alle herkömmlichen Hauspostillen auf den Kopf stellte, erarbeiten sie derzeit eine Dauerausstellung für den Konzern, die das Leben in der Kommunikationswelt plastisch macht. „Wer kann sich schon vorstellen, was 200 Gigabyte sind. Anders, wenn er einen Turm vor sich sieht, der aus Lexika besteht, die diese Menge an Informationen enthalten.“

Angst, daß ihnen bei zehn, zwölf Stunden Arbeit die Ideen einmal ausgehen, haben Uwe, Nick und Guy nicht. Berlin-Mitte, sagen sie, die naheliegende Oranienburger Straße, die Kneipen, Ateliers, die „leider immer seltener werdenden“ kleinen Handwerksbetriebe sorgen für kreativen Nachschub.