Stadtrad auch gut fürs Dorf

■ Räder heute, Folge zwei: Das moderne Stadtrad soll robust und wendig sein und dem Auge schmeicheln. Und Trekkingräder sind keine Trecker, sondern eher Allround-Fahrzeuge

Trau keinem Stadtrad, mit dem du nicht ins Grüne fahren kannst. Dies etwa könnte die oberste Maxime sein bei der Suche nach dem richtigen Rad für den Stadtverkehr. Auch in der Stadt sind beileibe nicht alle Straßen glatt geteert, sind Steigungen zu bewältigen, und dem Gepäckträger sollte es eigentlich egal sein, ob er Alditüten oder das Wochenendzelt zu tragen hat. Das moderne Stadtrad muß deshalb ein robustes Fahrzeug sein, keinesfalls jedoch darf es ein schwerer Trecker sein, dem man spätestens nach dreißig Kilometern in die Speichen treten möchte. Da der Chrommolybdän- Stahl Rahmen und Gabel überaus steif macht, das Gesamtgewicht indes drückt, wird diese Legierung auch beim City-Bike immer beliebter. Von perfekt verarbeiteten Aluminiumrohren im Oversized- Format sind diese Eigenschaften natürlich ebenfalls zu erwarten. Ob man die derzeit angesagte Unisex-Rahmengeometrie mit dem voluminösen, aber schön geschwungenen Zentralrahmenrohr bevorzugt, hängt vom persönlichen Geschmack ab und wohl auch von der eigenen Beweglichkeit. Derartige Rahmen haben kein Oberrohr (keine „Stange“) und zumeist einen weit heruntergezogenen Rahmen („tiefen Durchstieg“), so daß sie bequem zu besteigen und sicher zu fahren sind.

Siebengängige Nabenschaltungen mit Drehschaltgriffen gehören beim Stadtrad mittlerweile zum Standard. Sie sind quasi wartungsfrei, lassen sich bereits im Stand startgerecht schalten, helfen über kleinere Berge und erlauben den Anbau eines hosenfreundlichen Kettenkastens. Radler, was willst du mehr? Von Nutzen sowohl im Stadt- als auch im Dorfgewühl: die etwas breitere, aber gut rollende Bereifung (üblich sind 37 oder 47 Millimeter), der regenresistente Dynamo (ein Nabendynamo wäre in dieser Beziehung unschlagbar), Halogen-Scheinwerfer, Standrücklicht und ein belastbarer Gepäckträger. Das Zusammenspiel von Lenker und Sattel sollte eine halbwegs bis stark aufrechte Sitzposition ergeben, die in jedem Falle ohne Verrenkungen eingenommen werden kann. Das allerdings läßt sich nur auf einer ausgiebigen Probefahrt feststellen.

Und das Trekkingrad – was an ihm soll anders sein? Gute Frage. Der Begriff wurde erst vor einigen Jahren geprägt, wahrscheinlich von einem dieser Marketingstrategen. Bis dato waren das die soliden Fahrräder für alle Gelegenheiten, die Typen für immer und überall, geeignet fürs Bier- wie fürs Milchholen und den Ausflug sowieso. Insofern haben die heutigen Trekkingräder der empfehlenswerten Kategorie viel mit guten Stadträdern gemein. Unterschiede bestehen am ehesten bei der Schaltung (hier sind reiseradartige Übersetzungen zu finden, häufig 24gängige Kettenschaltungen von Sachs oder Shimano) und den Bremsen (kein Rücktritt, dafür Cantilever vorn und hinten). Als Lenker wird ab und an ein Multifunktionsteil in Schmetterlingsform oder mit nach vorn ausgerichteten Griffhörnchen angeboten. So etwas macht Sinn, wenn das Rad bevorzugt als Langstreckenläufer eingesetzt wird. Im Gegensatz zum postmodernen Ein- oder Zentralrohrrahmen vieler City-Bikes dominieren beim Trekkingrad nach wie vor die vertrauten H-Diamant- und Damen-Rahmen, beide Versionen in der Mehrheit mit klaren, geraden Linienführungen. Ohne gerundete Fisimatenten, wenn man so will. Als Rahmenmaterial kommen bei den besseren Modellen eine hochwertige Stahllegierung oder Aluminium zum Einsatz.

Federungs- und Dämpfungselemente spielen unter den Trekkingrädern noch ebensowenig eine Rolle wie bei den Stadtfahrzeugen – aber das könnte im nächsten Jahr schon anders sein. Denn die Hersteller meinen, daß an sich sämtliche Fahrräder so was brauchen. Im Gefolge könnten sich dann die Rahmenformen noch stärker verändern, womöglich wird sich gar die Elektronik zur Unterstützung der Schaltvorgänge durchsetzen. Spätestens dann werden die Stadt- und Trekkingräder noch mal neu beschrieben werden müssen. Marcel Mannitzky