Amerika versus Afrika

Ein schwarzer US-Journalist berichtet vom Schwarzen Kontinent. Er sieht schwarz. Ein weißer Historiker erzählt Afrikas Geschichte. Er sieht ein wenig Licht  ■ Von Martin Hager

Keith B. Richburg ist Amerikaner, schwarzer Amerikaner. Drei Jahre hat er in Afrika verbracht. Gefallen hat es ihm nicht.

Richburg ist von Beruf Reporter. Von 1991 bis 1994 führte er das Afrika-Büro der Washington Post, immer auf den Spuren der jeweils anhängigen Krise, der gerade ausgebrochenen Hungersnot. Er hat den Bürgerkrieg in Somalia miterlebt und den desaströsen UN-Einsatz, den Völkermord der Hutu an den Tutsi in Ruanda (wo es keinen UN-Einsatz gab), den katastrophalen permanenten Bürgerkrieg in Liberia und andere Orte des Grauens. Sein Buch ist aber mehr als ein Bericht über diese Erlebnisse. Es ist ein Urteil über den Zustand Afrikas, und es ist eine Auseinandersetzung eines schwarzen Amerikaners mit dem Mythos, der Afrika für die Schwarzen in Amerika umgibt.

Keith Richburgs Buch ist erklärtermaßen sehr persönlich. Er setzt seine Wahrnehmung Afrikas in Beziehung zu seiner Erfahrung als Schwarzer in Amerika. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Schwarzen dort empfindet er als aufgezwungen. Großes Vertrauen in „Mother Africa“ hat er daher nicht. Was er sieht, läßt die überkommenen Hoffnungen vollends verenden. Es bleibt der Stoßseufzer „Thank God, I'm American“.

Diese Position läßt sich nachvollziehen. Das Buch krankt andererseits genau daran. Richburgs Geschichte ist nicht die Geschichte Afrikas. Für ihn mag sein Aufenthalt wichtig gewesen sein, um endgültig Abschied nehmen zu können von einer zwanghaften Solidarität aller Schwarzen, die ihm ohnehin nie behagte. Dem „Schwarzen Kontinent“ wird aber eine Darstellung nicht gerecht, die auf jegliche Analyse der Hintergründe verzichtet und sich statt dessen auf die Erwähnung der – sicher schlagzeilenträchtigeren – Katastrophen beschränkt.

Ein Vergleich mit der neu erschienenen Geschichte Afrikas des weißen britischen Historikers John Iliffe bietet sich an. Er hat auf knapp 400 Seiten die Geschichte des gesamten Kontinents bis in die Gegenwart hinein geschrieben. Auffällig ist – im Anschluß an Richburgs Buch – der entschuldigende Unterton, den die ersten Seiten des Werkes anschlagen. Iliffe verweist mehrfach auf die denkbar schlechten natürlichen Bedingungen des Kontinents, wie um implizit den Kritikern des mangelnden Fortschritts in Afrika den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Problem von Iliffes Projekt zeigt sich aber an anderer Stelle. Eine solch große Menge an Daten und Fakten in eine kontinuierliche Geschichte einbinden zu wollen ist kaum möglich. Zuviel diffuse Information, zuwenig leserfreundliche Akzentuierungen. Dennoch bietet das Buch eine notwendige Korrektur zu Richburgs Darstellung. Der hat zwar recht, wenn er behauptet, Sklaverei und Kolonialismus der Vergangenheit dürften nicht ohne weiteres zur Entschuldigung der desolaten Gegenwart dienen. Aufklärung über den historischen Wandel – von den schwarzen Siedlergesellschaften über die Kolonialgesellschaften zu den Nationalstaaten der Gegenwart – hilft aber, das Bild eines geschichtslosen Katastrophenkontinents zu berichtigen. Wo es eine Vergangenheit gibt, gibt es eine Zukunft.

Keith B. Richburg: „Jenseits von Amerika. Eine Konfrontation mit Afrika, dem Land meiner Vorfahren“. Quell Verlag, Stuttgart 1998, 333 Seiten 39,80 DM.

John Iliffe: „Geschichte Afrikas“. Beck Verlag, München 1997, 435 Seiten, 68 DM.