: Der Euro ist kein Unikum
■ Die Geschichte lehrt: Ob eine Währungsunion funktioniert, hängt besonders von den politischen Prioritäten der Teilnehmerländer ab. Der lateinische Münzbund von 1865 scheiterte
Berlin (taz) – Währungsunionen gibt es seit mehr als 2.000 Jahren. Bereits im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung ordnete der Perserkönig Dareios eine einheitliche Münze für das ganze Reich an. Der „Dareikos“ sollte die Untertanen bei jedem größeren Zahlungsvorgang an ihren Herrscher erinnern, für kleinere Geschäfte gab es dagegen nach wie vor regional unterschiedliche Währungen. Um die Zeitenwende zentralisierte Kaiser Augustus das gesamte Münzwesen des römischen Imperiums. Damit wollte er nicht nur das Eintreiben der Steuern erleichtern, sondern auch die Einheit des Reichs demonstrieren.
Im 19. Jahrhundert wurden Währungsunionen dann wieder modern. Dutzende von Münzsystemen hatten sich als sehr unpraktisch für den wachsenden Handel erwiesen. „Jede Zahlung ist ein Kampf, eine Quelle von Unfrieden, von Bosheit, Irrtümern und Betrug“, beschrieb der Abgeordnete Ludwig Bamberger die Situation kurz vor Einführung der Mark in Deutschland, als noch 126 Münzsorten im Umlauf waren. Ähnlich wie in der Schweiz erwies sich auch die erste Währungsunion in Deutschland von 1871 als stabil, weil sie mit einer politischen Integration einherging.
Über kurz oder lang auseinandergeflogen sind dagegen Währungssysteme, in denen die Beteiligten die eigenen Interessen über das gemeinsame Projekt stellten. Ein Beispiel dafür ist der lateinische Münzbund unter der Führung Frankreichs, der von 1865 bis 1926 existierte. Während die Leitwährung des 19. Jahrhunderts, das Pfund Sterling, eine reine Goldwährung war, ließ die Regierung in Paris sowohl Gold- als auch Silbermünzen prägen. Sie konnten im Verhältnis 1 zu 15,5 gegeneinander eingetauscht werden.
Dieses System setzte Frankreich dann auch gegenüber Belgien, der Schweiz und Italien durch, mit denen es ab 1865 die Münzunion bildete. Erklärtes Ziel von Napoleon III. war eine Weltwährung. Sie sollte das britische Pfund ablösen, mit dem damals zwei Drittel des Welthandels bezahlt wurden.
Doch außer Griechenland trat kein weiteres Land bei. Andere Staaten hielten nichts von dieser Währung mit zwei Metallen. Deren Schwäche hatte sich schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt, nachdem in den USA und Australien große Goldminen entdeckt worden waren. Weil Frankreich auf dem alten Umtauschverhältnis von 1 zu 15,5 bestand, konnten Spekulanten und Händler gut verdienen – denn auf dem Weltmarkt lag die Gold-Silber-Relation mittlerweile bei etwa 1 zu 17.
Wirtschaftlich waren die Partner der lateinischen Münzunion zudem auf sehr unterschiedlichem Niveau. Während die Schweiz und Belgien damals kapitalintensiv produzierende Volkswirtschaften waren, hinkten Frankreich und vor allem Italien und Griechenland ökonomisch hinterher. Auch die Interessen der Teilnehmer an dem Bund waren höchst unterschiedlich: Frankreich ging es vor allem um das Prestige einer einflußreichen Großmacht. Die anderen Länder wollten vor allem Frankreich als wichtigen Kreditgeber nicht verärgern.
Das Scheitern der Union war schon bei ihrer Gründung angelegt: Nicht geregelt war die Emission von Papiergeld. Das veranlaßte Italien unmittelbar nach Vertragsabschluß, die Notenpresse anzuwerfen; schließlich mußte der Krieg gegen Österreich finanziert werden. Als dann 1926 die lateinische Münzunion aufgelöst wurde, war das nur noch eine Formalie. Und auch die etwas später gegründete skandinavische Münzunion, bestehend aus Schweden, Norwegen und Dänemark, scheiterte trotz wesentlich günstigerer Voraussetzungen an nationalstaatlichen Prioritäten.
Ob der Euro eine Zukunft hat, hängt wohl vor allem an der Frage, ob den Teilnehmerstaaten die gemeinsame oder nationalstaatliche Politik wichtiger ist. Anfang der 70er Jahre wurde die damals gerade geplante europäische Währungsunion wegen politischer Differenzen gleich wieder beerdigt. Während Frankreich auf die Ölkrise mit einem Großeinkauf des schwarzen Goldes reagierte, sah die Bundesregierung keinerlei Anlaß für staatliches Eingreifen. Heute ist die zentrale Frage, welche Rolle der Staat auf dem Arbeitsmarkt spielt. Soll der Euro nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der Franc der lateinischen Münzunion, muß es hierauf eine gemeinsame Antwort geben. Anne Barthel
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