Kommentar
: Wer hinkt, der geht

■ Der Euro startet mit einem geschwächten EZB-Präsidenten

Der Euro humpelt los. Zum aufrechten Gang für den EZB-Präsidenten hat nach all den Mühen um Kriterien, Stabilitätspakt und Superstabilitätserklärung die Kraft nicht mehr gereicht. Schön ist das nicht, aber so funktioniert die Europäische Union eben. Warum sollte es diesmal anders sein? Schuldige sind schnell gefunden: Der sture und selbstherrliche Chirac einerseits und die wenig sensible deutsche Finanzhierarchie andererseits.

Mit immer neuen Forderungen und Nachforderungen haben der Finanzminister und der Bundesbankchef den anderen EU-Ländern eine Währungsunion nach deutschem Muster aufgedrückt. Nicht nur Chirac, auch Teile der französischen Bevölkerung wollten endlich ein Zeichen, daß Paris auch etwas mitzureden hat. Aber das lag offensichtlich jenseits des Bonner Tellerrands. Aber vielleicht sollte man die Sache nicht so hoch hängen. In Edinburgh, in Maastricht, in Amsterdam wurde auch nächtelang gestritten. Die Ergebnisse hatten alle einen fauligen Geschmack. Doch ein paar Monate später war das dann auch wieder vergessen.

Das Grundproblem der Europäischen Union ist, daß sich 15 sehr unterschiedliche Länder zusammenraufen wollen. Das geht nur mit Kompromissen, und wo viele Kompromisse gemacht werden, sind auch ein paar faule dabei. Das Erstaunliche sind nicht die Konflikte, sondern daß die Regierungen nach all den Rückschlägen immer wieder aufstehen und weitermachen wollen. Für eine bloße Idee würden sie das nicht tun.

Es ist der Leidensdruck, der die Regierungen nach Brüssel treibt. Erst wenn sie mit Problemen zu Hause nicht mehr fertig werden, etwa weil ihnen die großen Steuerzahler über die Grenzen davonlaufen, dann fällt ihnen Europa ein. In Brüssel werden vorwiegend die Probleme aus den Mitgliedsländern abgeladen. Doch für klare Lösungen ist die EU nicht gerüstet. Dafür müßte das Parlament die Macht bekommen, mit Mehrheit zu beschließen und nicht nur immer zu beraten. Das wird oft gefordert, aber wer will das wirklich? Das würde nämlich auch bedeuten, daß etwa Deutschland regelmäßig in Umwelt- oder auch in Geldfragen überstimmt werden könnte. Solange wir das nicht akzeptieren, wird die Europäische Union weiterhin mit Kompromissen zwischen den Regierungen vorwärtsstolpern. Aber wie ein polnisches Sprichwort sagt: Wer hinkt, der geht. Alois Berger