Großes Gerangel um zu kleines „Istanbul in Berlin“

■ Nach dem Festival „Berlin in Istanbul“ soll nun die Istanbuler Kultur in Berlin vorgestellt werden. Weil sich aber die Türkei in Zurückhaltung übt, ziert sich auch der Kultursenator

Mit einem fröhlichen „Auf Wiedersehen in Berlin“ hatten sich im vergangenen Herbst die Eliten der Istanbuler und Berliner Kulturpolitik die Hände geschüttelt. Das Festival „Berlin in Istanbul“ war ein Erfolg, Kultursenator Radunski (CDU), Parlamentspräsident Herwig Haase und der Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses kamen angereist und versprachen: Selbstverständlich werde es 1998 in Berlin ein Revival geben. Dann aber wurde es still zwischen den Partnerstädten. Und vor allem im Kultusministerium in Ankara hielt man sich Monate lang vornehm zurück – bis endlich vor einer Woche grünes Licht kam: Die Türkei sei nun bereit, sich am Festival „Istanbul in Berlin“ zu beteiligen, so vermeldete am Wochenende der Koordinator der Berliner Aktivitäten, Thomas Hartmann.

Ob es im Oktober also wirklich noch zu dem angekündigten und geplanten „grenzenlos“-Festival der beiden Partnerstädte kommt, liegt nun in den Händen des Berliner Kultursenators. Morgen soll nun die Entscheidung fallen. Vor allem aber wird wohl beraten, wie groß die Feier der türkischen Kultur in Berlin nun gefahren wird. Denn nach dem „D'accord“ aus Ankara würde die türkische Regierung eine Absage nur noch als Affront auffassen können, befürchtet Hartmann. Üppig sei es andererseits nicht, was von dort als Beteiligung angeboten wird. Nach der kurzen schriftlichen Zusage seien gerade mal vier Projekte telefonisch angekündigt worden: Das Modern-Dance-Ensemble aus Ankara und das Istanbuler Staatstheater dürfen anreisen, außerdem eine „Modern Folk“-Gruppe, und auch am geplanten Filmprogramm gibt es eine Beteiligung.

So müßte der Senat schon ziemlich tief in die Taschen greifen, damit es im Herbst zu einem veritablen Festival kommt. Mit den im vergangenen Jahr angekündigten 700.000 Mark aus dem Berliner Programm für Kulturaustausch käme man aber zurecht, schätzt der Koordinator von der Berliner Kulturveranstaltungs Gesellschaft. Und selbst mit einer jetzt genannten Sparversion von 565.000 Mark könne man noch einen Festivalmonat auf die Beine stellen, der dem feinen Fest am Bosporus vor einem Jahr halbwegs das Wasser reicht. Denn auch private Sponsoren, die in der Türkei zunehmend die Kulturaktivitäten des Landes tragen, haben schon seit längerem ihre Teilnahme zugesagt. Die Ak- Bank will eine große Ausstellung mit moderner türkischer Malerei finanzieren, ein zweiter Sponsor hat ein Programm mit jungen Komponisten angekündigt. Und die Istanbul-Airlines werde für alle Flüge im Zusammenhang mit dem Festival Spartickets zum halben Preis verteilen.

Doch die zögernde Haltung in der türkischen Hauptstadt scheint den Berliner Kultursenator inzwischen eher abgetörnt zu haben. Im Vorfeld der heutigen Entscheidung scheint man in der Verwaltung zu überlegen, die ganze Sache auf ein Notprogramm herunterzufahren und das Geld lieber anderweitig auszugeben. „Wenn die türkische Seite nicht mitzieht“, sagte gestern Radunskis Sprecher Axel Wallrabenstein, „dann wird es nur zu einem reduzierten Kulturprogramm kommen.“ In der türkischen Community in Berlin macht sich ob dieser Entwicklungen zunehmend Unruhe breit. „Es kann doch nicht angehen“, so der Schriftsteller Aras Ören für seine 170.000 türkischen Landsleute in Berlin, „daß wir hier Jahr für Jahr unsere Steuern zahlen, und die kriegen jetzt noch nicht einmal ein vernünftiges Kulturprogramm auf die Beine.“ Dabei war das „grenzenlos“-Festival „Istanbul in Berlin“ nicht zuletzt als „Zugpferd“ für die hiesige türkische Community gedacht. Als ein Podium für die „türkischen Kulturtraditionen“, so das ursprüngliche Konzept, „die längst zu einem wichtigen Bestandteil des Berliner Kulturlebens geworden“ seien. Aber auch als ein Spiegel, den die türkische Kulturmetropole ihren Landsleuten in Berlin vorhalten möchte. Nicht zuletzt hier sieht Thomas Hartmann den Senat in der Pflicht: jenseits der etablierten Staatstheater auch den urbanen Szenen aus der Stadt am Bosporus ein Kommen zu ermöglichen.

Die Vorbereitungen in der türkischen Community sind lange angelaufen. Wunderbar klingt das Programm des Türkischen Bundes, der sich ganz auf türkisch-jüdische Aspekte konzentrieren will: Mit sephardischer Musik („Los Pacharrdos“), mit einer Lesung des Istanbuler Schriftstellers Mario Levi und einer großen Podiumsdiskussion: „Minderheiten in den nationalen Parlamenten“.

„Wir müssen einfach loslegen“, betont auch der Projektleiter im Kunstamt Kreuzberg, Stephane Bauer, der die Grande Dame der Istanbuler Konzeptkunst, Beral Madra, eingeladen hat, um mit ehemaligen Berliner Stipendiaten eine Ausstellung vorzubereiten. Wie das finanziert werden kann, wenn der Senat jetzt noch aussteigt, kann er auch nicht sagen: „Aber wenn das vernünftig werden soll, kann man doch nicht erst drei Monate vorher anfangen.“ Fritz von Klinggräff