Private machen Kommunen den Müll streitig

■ Hamburger Stadtreinigung verliert als erste öffentlich-rechtliche Müllabfuhr ihr Monopol auf den Gewerbeabfall. Bald könnten weitere Gemeinden folgen. Ökologische Standards in Gefahr

Hamburg (taz) – Glas, Pappe, Blech – den Markt des recycelbaren Mülls haben private Abfallfirmen längst für sich erobert. Jetzt aber strecken die Privaten ihre Finger nach Abfall aus, auf dem bislang ausschließlich die Kommunen und Kreise ihren Daumen hatten: dem Gewerbemüll. Als erste wird die Hamburger Stadtreinigung ihr Monopol verlieren. Ab diesem Sommer muß die Müllabfuhr mit einem Privaten um die Gewerbeabfälle konkurrieren. Der Fachverband Hamburger Einzelhandel (FHE) und die Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel (WGA) gründeten eigens eine Müllfirma als Alternative für ihre 4.000 Mitgliedsbetriebe. Erstmals nutzt damit ein Unternehmensverband die Möglichkeit, die das Kreislaufwirtschaftsgesetz schon seit Oktober 1996 erlaubt: Gewerbemüll privat zu beseitigen. Der häusliche Restmüll bleibt dagegen allein in städtischer Hand.

WGA-Sprecher Raven Karalus hofft vor allem auf „Gebührenvorteile“ für seine Mitglieder. Denn anders als die Müllabfuhr will der Verband die Gewerbeabfälle zunächst nach recycelbaren Stoffen sortieren und nur den Rest in den teuren Hamburger Müllöfen verfeuern lassen. Um bis zu einem Drittel könnte das Müllaufkommen der Unternehmen sinken, schätzt Karalus. Insgesamt könnten der Stadtreinigung mindestens drei Prozent des jährlichen Hamburger Gewerbemüllaufkommens flötengehen. „Wir wissen nicht, welcher Verlust auf uns zukommt“, gesteht das Unternehmen. Müllverbrennungsanlagen (MVAs) arbeiten nur dann wirtschaftlich, wenn sie voll ausgelastet sind. Sinkt das Müllaufkommen, haben die Kommunen ein Problem. Die fehlenden Einnahmen könnten durch Gebührenerhöhung oder „Mülltourismus“ – die Akquirierung von Abfall aus anderen Ländern – ausgeglichen werden. Beides ist umstritten.

„Die Planungssicherheit für die Öffentlichen wird immer schlechter“, bestätigt Abfall-Beraterin Agnes Bünemann vom Osnabrücker Büro Zyklos. So ist noch unklar, ob die Privaten sich an den Deponie-Kosten beteiligen müssen. „Mögliche Gefahren“ seien nur skizzierbar, weil es noch keine Erfahrungen mit Privaten gebe. So könnte der privat beseitigte Müll unter schlechteren Öko-Standards verfeuert werden – wie in Zementwerken, die anders als MVAs keine Schadstoff-Filter haben. Zumindest in diesem Punkt konnte Hamburgs grüner Umweltsenator Alexander Porschke Standards setzen: Restmüll endet weiterhin in Hamburger Müllöfen. Doch die Nachahmung ist fraglich. In Flächenländern wie Niedersachsen (52 verschiedene Träger) ist das Müllgeschäft kleingliedrig organisiert. Private Konkurrenten müßten zig Einzelgenehmigungen einholen. Eine Gründung gemeinsamer privater Müllabfuhren durch die Unternehmensverbände, folgert Bünemann, „lohnt sich nur in Ländern wie Berlin oder Hamburg“. Heike Haarhoff