Talmud und Klassenkampf

■ „Selbstbehauptung und Utopie“: Das Museum der Arbeit zeigt eine Ausstellung über die jüdische Arbeiterbewegung

Irgendwie meint man diese Bilder zu kennen – Fotos von Arbeitern mit entschlossenen Gesichtern, mit Fahnen und Transparenten. Versammlungen, Demonstrationen, Streiks. Eines ist ungewohnt: Viele Slogans und Forderungen sind auf Hebräisch.

Die Existenz einer jüdischen Arbeiterbewegung war lange Zeit kaum dokumentiert. Erst nach langjährigen Vorbereitungen konnte 1997 im Diaspora-Museum in Tel Aviv die erste Ausstellung eröffnet werden. Nach Stationen in Wien, München und Frankfurt wird sie nun bis zum 26. Juli im Museum der Arbeit gezeigt: Fotos und Dokumente zur „Selbstbehauptung und Utopie“, die vor dem Hintergrund der Pogrome und Ausgrenzung, Ausbeutung und Migration besonderes Gewicht bekommen.

Als Reaktion auf das große Elend im jüdischen Proletariat Osteuropas entstanden im späten 19. Jahrhundert Strukturen einer Arbeiterbewegung, deren Ziele sozialistische Ideen und die Vision einer nationalen Selbstbestimmung verbanden. Immigranten verbreiteten diese Ansätze in Westeuropa und den USA. Bis in die Dreißiger vor allem in Polen, Großbritannien und Nordamerika stark organisiert, verlagerte sich die jüdische Arbeiterbewegung später auf den Widerstand gegen den Faschismus und unterstützte die zionistische Bewegung.

Und Hamburg? Und Rosa Luxemburg? Für die Präsentation im Museum der Arbeit wurde die Ausstellung um zwei wichtige Teile ergänzt. Eine eigenständige jüdische Arbeiterbewegung hat es an der Elbe zwar nicht gegeben, jedoch eine jüdische Beteiligung daran. Und diese ist hier erstmals in Einzelbiographien dokumentiert: ob Louis Gruenwaldt, Max Mendel oder Herbert Michaelis – in Hamburg waren es vor allem Juristen und Journalisten, Handwerker und kaufmännische Angestellte, die sich in bestehenden Strukturen für Demokratie und Selbstbestimmung, Organisation der arbeitenden Bevölkerung und Wahrung politischer Grundrechte einsetzten.

Mit Rosa Luxemburg wird eine bedeutende Jüdin porträtiert, die sich jedoch in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung engagierte. Die biographische Dokumentation wirft Schlaglichter auf Mitstreiterinnen und Weggefährten dieser streitbaren Aktivistin und fokussiert auch Rosa Luxemburgs Präsenz in Hamburg. Die war zwar de facto auf wenige Besuche beschränkt, aber dafür legte die Politische Polizei um so dickere Akten an. Von 1898 bis zu Luxemburgs Ermordung 1919 sammelten die Beamten eifrig jeden Zeitungsschnipsel, auf dem ihr Name stand, und beobachteten ihre seltene Redeauftritte in Hamburg. 1899 wäre Rosa Luxemburg fast an die Elbe gezogen, entschied sich dann aber gegen den Schritt: „Was gibt es dort schon? Eine flache Meeresküste und rauhes, nördliches Klima.“

Kay Dohnke

Mo 13 – 21 Uhr; Di - Sa, 10 – 17 Uhr; So, 10 – 18 Uhr. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Dölling und Galitz, Hamburg. Parallel zur Ausstellung findet ein Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Musikabend und Filmreihe statt. Infos unter: Tel. 29 84 23 64.