Die Stadt, der Müll und die Reinigung

■ Höhere Gebühren, weniger Jobs: Stadtreinigung droht grünem Umweltsenator

Die Hamburger Stadtreinigung fürchtet um ihre Existenz. 400 ihrer 2500 Arbeitsplätze „müßten abgebaut“, eine der vier Müllverbrennungsanlagen (MVA) „stillgelegt“ oder die Müllgebühren „um zehn Prozent“ erhöht werden, wenn das städtische Unternehmen sein Monopol auf die Beseitigung von Gewerbeabfällen verlieren sollte.

Geschäftsführer Berend Krüger ließ seiner Empörung über die Ungerechtigkeit des Kapitalismus am Montag abend freien Lauf. Die Stadtreinigung habe durch den Bau zahlreicher Müllöfen die „Entsorgungssicherheit dieser Stadt“ garantiert und „den Ausstieg aus der Deponierung“ bewerkstelligt. Nun solle sie für ihr investives Engagement „bestraft“ werden, indem ihr private Entsorger den Gewerbemüll und damit Gebühreneinnahmen sowie die Auslastung der MVAs streitig machten – mit Billigung des grünen Umweltsenators Alexander Porschke. „Das ist das Perverse“, so Krüger.

Porschke, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtreinigung, hatte vorige Woche einen „Kompromiß“ verkündet: Danach dürfen der Fachverband Hamburger Einzelhandel (FHE) und die Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel (WGA) einen Verband gründen, der ab diesem Sommer die Abfälle ihrer 4000 Mitgliedsunternehmen privatwirtschaftlich beseitigt (taz berichtete). Das erlaubt des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ohnehin seit Oktober 1996. Porschke handelte darüber hinaus Bedingungen aus: Der Restmüll darf nicht deponiert werden, sondern muß weiter in Hamburger Müllöfen zu den Gebühren der Stadtreinigung enden. Damit sei garantiert, daß sich auch die Privaten an der Deponienachsorge beteiligen.

Die Stadtreinigung aber will Porschkes Linie nicht zustimmen, weil der Antrag „den öffentlichen Belangen“ widerspreche. „Wir kennen den Kompromiß nicht“, grollt der technische Geschäftsführer Rüdiger Siechau. Nur „beiläufig“ und „aus der Presse“ habe man davon erfahren. Außer FHE und WGA würden weitere Privat-Verbände, so die Sorge, sich peu à peu „den kompletten Gewerbemüll, mindestens 200.000 Tonnen im Jahr“ unter den Nagel reißen.

Diese Menge entspreche der Jahresleistung einer MVA, die dann „für 180 Millionen Mark“ stillgelegt werden müsse, weil die Privat-Entsorger sicher lieber auf Deponierung (100 Mark pro Tonne) statt Verbrennung (200 - 300 Mark pro Tonne) setzten. Alternativ müßten die Müllgebühren für die privaten Haushalte in der Hansestadt um bis zu zehn Prozent steigen. Das liege wohl kaum „im öffentlichen Interesse“.

Auch Hamburgs ÖTV-Chef Rolf Fritsch hieb gestern auf Porschke ein. Dessen Vorhaben sei eine „Kriegserklärung“. „Unerhört“ findet er, wie der Senator „locker-flockig“ 400 Arbeitsplätze aufs Spiel setze. Porschke habe „kein Führungsverhalten“, in seiner Behörde gehe es zu wie im „Tollhaus“.

Der Gescholtene unterdessen reagierte gelassen auf die Vorwürfe. „Die Stadtreinigung hat das noch nicht richtig verstanden, was wir als Kompromißkorridor ausgehandelt haben“, sagte er nachsichtig. Die Umweltbehörde werde auch künftig nur solche Anträge genehmigen, die die abfallpolitischen Vorgaben beherzigten. Insofern gehe die Sorge um die Arbeitsplätze „von falschen Voraussetzungen aus“. Auch „sehe ich noch nicht von weitem, daß eine MVA stillgelegt wird“. Er, Porschke, sei sicher, daß die Stadtreinigung noch für den Kompromiß gewonnen werden könne. Heike Haarhoff