American Pie
: Auf Donnies Spuren

■ Die Stars des College-Basketball haben es immer eiliger, in die NBA zu wechseln

Oh, but we never got the chance

Ziemlich einsam wird sich Ademola Okulaja vorkommen, wenn er im Team von North Carolina die ersten Spiele der nächsten College-Saison in Angriff nimmt. Nur er selbst und Spielmacher Ed Cota bleiben von jener Kernformation übrig, die im März bis zum Final-Four- Turnier in San Antonio vordrang, dort aber im Halbfinale von Utah jäh aus allen Träumen gerissen wurde. Nach Shammond Williams und Makhtar Ndiaye, die ihr Studium mit der Graduation beenden, verkündeten nun kurz vor Ablauf der Frist die beiden Stars der Mannschaft, Antawn Jamison und Vince Carter, daß sie ihr letztes Jahr am College nicht mehr absolvieren, sondern am NBA- Draft am 24. Juni teilnehmen werden.

Nichts Neues für North Carolina, jenes College, an dem einst Michael Jordan und James Worthy ihre Profession lernten, mit dem Henrik Rödl 1993 Champion wurde und wo zuletzt vor zwei Jahren eine starke Mannschaft auseinanderbrach, als sich Jerry Stackhouse und Rasheed Wallace nach ihrer zweiten Saison zu den Profis verabschiedeten. Beide gehören inzwischen zu den maßgeblichen Spielern ihrer Klubs Detroit Pistons beziehungsweise Portland TrailBlazers.

Doch längst nicht jeder „Underclassman“ schafft den nahtlosen Übergang vom College- Star zum erfolgreichen Profi. Die Coaches der Universitäten, die vom Trend der Lehrzeitverkürzung wenig begeistert sind, führen besonders gern Dontonio Wingfield als abschreckendes Beispiel an. „Der talentierteste Spieler, den ich je hatte“, schwärmt noch heute Bob Huggins, Coach der University of Cincinnati, über den Spieler, der sich 19jährig zum Draft meldete, „aber er war noch nicht bereit“. Im Gegensatz zu anderen Cincinnati-Absolventen wie Nick van Exel oder Corie Blount gelang es ihm nicht, in der NBA Fuß zu fassen. Von Seattle gedraftet, wurde er nach Toronto abgeschoben und landete schließlich in Portland, wo er diese Saison bloß drei Spiele bestritt. Im März holte er sich die Freigabe, um in Spanien spielen zu können. Dort will er Spielpraxis sammeln und dann in die NBA zurückkehren. Portlands Manager Bob Whitsitt gibt dem inzwischen 23jährigen wenig Chancen: „So wie die Liga funktioniert, denken die Leute, daß Donnie 35 ist.“

Sonderlich abschreckend wirkt Wingfields Exempel nicht. Zuletzt erklärte Center Nazr Mohammed vom College- Champion Kentucky diese Woche, daß er auf sein Senior-Jahr verzichtet, obwohl NBA-Chefscout Marty Blake kategorisch erklärte: „Der Typ ist noch nicht soweit.“ Den Ausschlag gab ein Besuch Mohammeds beim ehemaligen Teamkollegen Antoine Walker, mittlerweile Topspieler der Boston Celtics und mit fetten Werbeverträgen versorgt. Sollte Mohammed mindestens als Nummer 29 gedraftet werden, sind auch ihm 1,8 Millionen Dollar für drei Jahre garantiert. Wer könnte da widerstehen?

Bei Jamison und Carter sieht die Sache noch wesentlich günstiger aus. Sie werden beim Draft unter den Top-Picks eines Jahrgangs sein, dem nach Einschätzung von NBA-Scouts „gute, solide Spieler, aber keine Superstars“ angehören. Leute wie Raef LaFrentz und Paul Pierce aus Kansas, Mike Bibby aus Arizona und Michael Olowokandi, die ebenfalls Kandidaten für die Spitzenplätze sind. Vince Carter, wegen seiner Flugfähigkeit in der Highschool „Ufo“ genannt und Stammgast in den Highlight-Zusammenschnitten, gilt aufgrund seiner Vielseitigkeit und Schnelligkeit als jener Spieler, dem am ehesten ein sofortiger Erfolg in der NBA zugetraut wird. Ein bißchen Angst vor der eigenen Courage packt bei Betrachtung der laufenden NBA-Play-offs aber auch ihn. „Du siehst manche Dinge, die sie machen, und denkst: Keine Chance.“ Matti Lieske