Schmuggel unter staatlicher Aufsicht

■ Hohe rumänische Beamte mischen bei Zigarettenschiebereien mit. Medienkampagne zwingt Regierung zu ersten Konsequenzen

Bukarest (taz) – „Keine Fragen, kein Gerede! Das ist ein Spezialtransport. Landung in einer Stunde.“ Der Mann vom Tower hat verstanden. Kurz vor Mitternacht landet das aus Athen kommende Flugzeug auf dem internationalen Flughafen Bukarest-Otopeni. Der Flughafenkommandant Ioan Suciu und der Geheimdienstoberst Gheorghe Trutulescu überwachen den Transport der 3.000 Kartons Zigaretten in die nahe gelegene Kaserne. Trutulescu übergibt einen Umschlag mit 37.000 Dollar. Kurz darauf bringen Lkws die Zigaretten in einen Ort bei Bukarest. Die Piloten der ukrainischen Maschine werden in einem Hotel einquartiert. Am nächsten Morgen fliegen sie Richtung Bulgarien ab, vermutlich mit Waffen an Bord.

So spielte sich in der Nacht vom 16. zum 17. April in der rumänischen Hauptstadt Bukarest die „Operation Zigaretten“ ab – ein großangelegter Schmuggel, in den hohe Funktionäre verwickelt sind. Es ist der gravierendste Fall staatlich organisierter Kriminalität seit dem Machtwechsel 1996.

Doch nicht nur deshalb läuft die Affäre in den rumänischen Medien derzeit jedem anderen Thema den Rang ab. Ähnliche Affären sind in Rumänien nicht Neues mehr. Aber diesmal ist beweisbar, daß staatliche Stellen beteiligt sind. Zwar hatten der rumänische Innengeheimdienst SRI die Aktion überwacht und Finanz- und Zollbehörden die Ware noch am 17. April konfisziert. Doch es bedurfte erst einer massiven Kampagne der rumänischen Medien, bis Details bekannt und die ersten Personen verhaftet wurden.

Hauptorganisator der „Operation Zigaretten“ ist offenbar ein internationaler Schmugglerring, dessen Verbindungen von Rumänien über Bulgarien und Griechenland bis in den Nahen Osten reichen. Beteiligt auf rumänischer Seite sind in erster Linie der Schutz- und Wachdienst (SPP), ein rumänischer Anti-Terror-Geheimdienst, der für die Sicherheit des rumänischen Staatspräsidenten und anderer Offizieller zuständig ist, sowie die rumänische Armee. Aber auch Mitarbeiter von Finanz- und Zollbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft haben offenbar ihre Finger im Spiel.

Nachdem mehrere Drahtzieher des Schmuggels abgetaucht waren, griffen rumänische Behörden in der letzten Woche durch. Der SPP- Chef Nicu Anghel mußte zurücktreten, weitere Armee- und Geheimdienstoffiziere wurden in den Ruhestand versetzt. Am Wochenende verhaftete die Polizei Oberst Trutulescu sowie einige in- und ausländische Geschäftsleute. Eine weitere Schlüsselfigur des Schmuggels wurde am Montag festgenommen: Gheorghe Florica, Ex-General und Ex-Chef der rumänischen Finanzaufsicht und Behörde gegen Steuerhinterziehung.

Doch damit ist die Affäre nicht beendet. Längst geht es um mehr: darum, daß die „Operation Zigaretten“ nur ein Stein im Mosaik ist. So etwa sind ein Großteil der Führung des Geheimdienstes SPP Ex- Securitate-Offiziere, die in kriminelle Machenschaften verwickelt sind und in zahlreichen Fällen schwerwiegenden Amtsmißbrauch betrieben haben. Staatschef Emil Constantinescu setzte am Montag einen neuen SPP-Chef ein und beauftragte diesen mit einer schnellen Säuberung und Umstrukturierung des Geheimdienstes. Doch an eine Änderung der Situation glaubt auch Constantinescu nicht so recht. „Wir haben zwar 1996 die Wahlen gewonnen“, sagte er unlängst, „aber nicht die Macht.“ Keno Verseck