Kommentar
: Trauerspiel mit Abstürzen

■ Der Euro verkompliziert das deutsch-französische Verhältnis

Man erwartete, die noble Geburt einer Währung zu feiern, die den Jahren europäischer Harmonie entsprossen ist. Man wurde zum versteinerten Zeugen einer vulgären Teppichhändlertransaktion: Ich gebe dir die Präsidentschaft, du gibst sie mir stiekum nach vier Jahren zurück.

Das französisch-deutsche Paar ist erneut abgestürzt. Auf dem heutigen Gipfel in Avignon wird es schwer sein, jenes gefrorene Lächeln beizubehalten, das bei den großen französisch-deutschen Messen auf den Gesichtern der Akteure erscheinen muß. Mit einem Schlag sind auf jeder Seite des Rheins die verdeckten Ängste wieder aufgetaucht. Die Deutschen beschuldigen die Franzosen und ihren Präsidenten, das Spiel arroganter Großmächte zu spielen und die beiden heiligen Kühe der deutsch-französischen Beziehung zu schlachten: die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Stabilität des Geldes.

Die Franzosen klagen ihrerseits die Deutschen und ihre insgeheim größenwahnsinnige Bundesbank an, Europa beherrschen zu wollen, indem sie ihm seine montären Prinzipien und die Banker ihrer Wahl aufdrängen. Hat es nicht gereicht, daß die Deutschen den Namen der zukünftigen Einheitswährung diktierten, daß sie sich den Sitz der Europäischen Zentralbank unter den Nagel rissen? Warum haben sie den Franzosen die Präsidentschaft mißgönnt, obwohl die doch unter vier Augen abgemacht worden war?

Jacques Chirac, der Undankbare, scheint sich kein bißchen um die großen Ungelegenheiten zu kümmern, denen jetzt sein „Freund Helmut“ wenige Monate vor der Bundestagswahl ausgesetzt ist. Kohl hatte sich 1995 durch sein Schweigen zu den Atomversuchen auf Moruroa gegen die öffentliche Meinung des eigenen Landes gestellt, die damals wild entschlossen war, französischen Käse zu boykottieren. Chirac hat sich dafür nun nicht revanchiert. Auch deshalb darf Schröder jetzt das Vergnügen auskosten, seinem Rivalen Kohl das Bild von der „kränkelnden Frühgeburt“ Euro entgegenzuhalten.

Jacques Chirac hat seinen Machismo heraustrompetet und Frankreich lächerlich gemacht. Noch schädlicher ist, daß die Euro-Skeptiker in beiden Ländern neuen Aufwind bekommen. Hoffen wir, daß das Trauerspiel von Brüssel nicht zum ungünstigen Vorzeichen für das neugeborene Euro-Baby wird. Besser kein Aberglaube in der nächsten Zeit. Pascale Hugues

Aus dem Französischen: C.S.