"Einschlag in Sexualitäten"

■ Medienaufseher Norbert Schneider über Sexthemen bei "Arabella", warum die Talkshow nur noch abends laufen soll und warum das alles mit Wahlkampf aber auch gar nichts zu tun hat

Wenn Pro 7-Talkfrauen zuviel über Sex reden, dann kommen die Landesmedienanstalten. Vorgestern beschlossen deren Direktoren, „ein Verfahren mit dem Ziel einzuleiten, die zukünftige Ausstrahlung des Sendeformats ,Arabella‘ im Programm von Pro 7 so lange auf die Zeit zwischen 20 und 6 Uhr zu beschränken, wie nicht zu erwarten ist, daß Beeinträchtigungen von Kindern zukünftig ausgeschlossen sind“. Fragen an Norbert Schneider von der NRW-Anstalt LfR.

taz: Was haben Sie gegen Arabella?

Norbert Schneider: Gegen Arabella kann man gar nichts haben. Aber darauf kommt es nicht an, sondern, ob das Gesetz, in diesem Fall Jugendschutzregelungen, überschritten wird – und das tun einige Ausgaben von „Arabella“.

Anstoß war der bayerische Kampf gegen „Schmuddel-TV“. Geht's Ihnen auch um Schmuddel?

Mindestens drei Prozent der Themen und ihrer Inszenierungen bei „Arabella“ berühren Jugendschutzfragen – immer schon. Es gibt andere Talkshows, bei denen wir diese Fragen genauso scharf erörtern müssen. „Arabella“ ist nur deswegen etwas weiter vorne, weil die Themenbildung einen stärkeren Aus- oder Einschlag in die Sexualitäten hinein hat.

Sie wollen jetzt das ganze Format verlegen. Dabei haben doch nur acht von über 200 Sendungen zu Beanstandungen geführt.

Wir reden über dieses Thema mit den Sendern seit zwei Jahren. Und es ist nicht viel passiert. Man hat uns nicht ernstgenommen.

Nun platzt Ihnen gerade jetzt der Kragen, wo das Thema im Wahlkampf, besonders im bayerischen, von Politikern hochgespült wird. Ihr Berliner Kollege hat das populistisch genannt.

Sie können nie verhindern, daß Sie instrumentalisiert werden. Ich finde es auch in Ordnung, daß der Jugendschutz in diesem Zusammenhang wieder wichtig genommen wird.

Wenn von Jugendschutz gesprochen wird, geht es immer nur um Sexualität. Wenn Sat.1 besoffene Schauspieler vorführt oder bei RTL 2 Oktoberfestbesucher in den Bildschirm kotzen, kümmert Sie das nicht.

Ich finde die Verengung der Frage der Programmstandards auf Sexualität auch kurzatmig. Das muß man sicher mit den Politikern diskutieren. Auch für mich ist die Talkshowdebatte immer eine Stellvertreterdebatte gewesen; eine Debatte, an der sich Systemkritik abgearbeitet hat und auch Enttäuschungen übers kommerzielle Fernsehen.

Sie haben es nicht vermocht, die Konzentration der Medienmacht von Bertelsmann und Kirch zu verhindern, einiges andere auch nicht. Jetzt beschäftigen Sie sich mit Sexthemen bei „Arabella“. Ist das eine Rolle, die Ihnen besser gefällt?

Warum sich Medienkonzentration abspielt, das ist ein weites Feld. Daß wir Medienanstalten mit Gesetzen ausgestattet wurden, die das nicht verhindern konnten, ist ja bekannt. Die Frage stellt sich umgekehrt. Wir haben uns bislang, glaube ich, zuwenig um Programme gekümmert.

Gauben Sie wirklich, daß es Ihnen gelingt, ein ganzes Format wegen einiger Ausgaben zu verlegen?

Ich glaube, man kann besser miteinander reden, wenn klar ist, was passiert, wenn aus dem Reden nichts rauskommt. An der Stelle stehen wir jetzt. Interview: Lutz Meier