Ein Abschied in Raten von Uwe Barschel

Mord oder Selbstmord? Die Frage, wie der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident ums Leben kam, ist nach wie vor ungeklärt. Dennoch legte der Leitende Staatsanwalt gestern seinen Abschlußbericht vor  ■ Aus Kiel Simone Siegmund

Der Tod Uwe Barschels vor mehr als zehn Jahren in einem Genfer Hotelzimmer bleibt ein Rätsel. Die Akte mit dem Zeichen 705 JS 33247/87 wird jetzt zwar geschlossen, aber nicht mit einem klaren Ergebnis.

Ob Mord, Selbstmord oder Sterbehilfe – die entscheidende Frage konnten die Ermittler nicht beantworten. Der Leitende Lübecker Oberstaatsanwalt im Fall Barschel, Heinrich Wille, sprach am Donnerstag bei der Vorstellung des Abschlußberichtes in Kiel von einer Entscheidung für den Augenblick. Er wies ausdrücklich darauf hin, daß Mord nicht verjährt. Sollten also neue Hinweise auftauchen, darf wieder spekuliert werden. Chefermittler Heinrich Wille glaubt nämlich weiterhin an Mord. Der Anfangsverdacht, so sagte er gestern, werde nach wie vor bejaht.

Dieses Ergebnis zieht Wille aus dem 250 Seiten langen Bericht, den er gestern gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Justizminister Gerd Walter und Generalstaatsanwalt Erhard Rex vorstellte. Neue Umstände erhärten danach die These des Mordes. So sind sich die Ermittler sicher, daß mindestens eine weitere Person, die unmittelbar in das Todesgeschehen verwickelt war, sich im Hotelzimmer beziehungsweise dessen Badezimmer aufgehalten hat. Doch Beweise fehlen.

Der CDU-Politiker war am 11. Oktober 1987 im Genfer Hotel Beau Rivage tot in einer Badewanne gefunden worden. Mehr als drei Jahre lang waren die Lübecker Ermittler zahlreichen abstrusen Theorien nachgerannt. Als mögliche Motive wurden angebliche Verwicklungen Barschels in Waffengeschäfte, Beteiligungen von Geheimdiensten bis hin zur Mafia untersucht. Doch handfeste Beweise fanden die Lübecker Staatsanwälte nicht. Immer lauter waren die Stimmen geworden, das Verfahren doch einzustellen. Vor einem Jahr war dann der Abschied auf Raten eingeleitet worden. Zuvor war der damalige Generalstaatsanwalt Heribert Ostendorf zurückgetreten – er hatte sich für eine frühe Beendigung der aussichtslosen Ermittlungen stark gemacht .

Doch der Jurist hatte die politische Stimmung im Land unterschätzt. Schließlich sind die letzten Stunden des ehemaligen Regierungschef untrennbar mit einem der größten Politskandale in Deutschland verbunden. Vor mehr als zehn Jahren hatte es eindeutig ausgesehen. Barschel galt als Urheber der schmutzigen Tricks gegen Björn Engholm, und sein Tod wurde als Geständnis gewertet. Der Meinungsumschwung folgte ab 1993 mit der sogenannten Schubladen-Affäre und der Erkenntnis des zweiten Untersuchungsausschusses, daß Barschels früherer Referent Reiner Pfeiffer die Machenschaften allein inszeniert haben könnte. Damit aber entfiele das Motiv für Selbstmord.

Mit diplomatischem Geschick verstand es dagegen Justizminister Gerd Walter, das Ende des Verfahrens einzuleiten. Dabei dürfte es weniger um die juristischen Feinheiten nach der Strafprozeßordnung gegangen sein, sondern darum, daß niemand sein Gesicht verliert. So erklärte Wille denn auch, er sei vor dem Hintergrund, daß gute Arbeit geleistet worden sei, durchaus zufrieden. Walter zudem hoffte, daß der Bericht zur inneren Befriedung des Landes beiträgt.