Elektrosmog im Hinterkopf

■ Sick-Building-Syndrom: Wohngifte machen krank. Lüften ist gut, Baubiologie noch besser

In der Wohnung, aber auch am Arbeitsplatz kann es einen befallen, das Sick-Building-Syndrom. Woran liegt es, wenn man sich dort schlecht, in anderen Häusern aber gleich viel besser fühlt?

Da nehmen viele baubiologische Hilfe in Anspruch. Aber welche? „Eine ganzheitliche Betrachtung sollte der Untersuchung zugrunde liegen“, meint Volker Dwornik, stellvertretender Geschäftsführer des Instituts für Baubiologie in Rosenheim, einer der wenigen deutschen Ausbildungsstätten für BaubiologInnen. „Einzelne Fachgebiete, etwa nur auf Schadstoffe oder nur auf Elektrosmog bezogen, reichen nicht aus.“

Der Gedanke, alles mit Elektrosmog zu erklären, ist verlockend, denn von diesem ist der moderne Mensch einen großen Teil des Tages umgeben. Er gliedert sich in elektrische und magnetische Strahlungen. Sobald eine Leitung unter Spannung steht, strahlt sie elektrisch, wenn Strom fließt auch magnetisch. Auch wenn der Radiowecker oder Akku nur im Stand-by-Betrieb läuft, erzeugen die Transformatoren magnetische Strahlung. Sie kann sogar Wände durchdringen. Die Mikrowelle des Nachbarn, auf der Rückseite nicht gedämmt, bestrahlt möglicherweise auch den, der mit Bedacht seinen Wecker anderthalb Meter vom Bett abgerückt hat.

Die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung legt seit Januar 1997 Grenzwerte für die Belastung der Bevölkerung mit elektromagnetischen Wechselfeldern fest. Für elektrische wie für magnetische Strahlung liegen die Werte weit über denen, die etwa schwedische Gewerkschaften für Bildschirmarbeitsplätze durchgesetzt haben.

Ob indessen die in Haushalten auftretenden Feldstärken überhaupt die Gesundheit gefährden, wird immer wieder in Abrede gestellt. „Darf man immer auf den letzten Beweis warten?“ fragt Gunter Zahn von der Berliner Gesellschaft für Gesundes Wohnen mbH. „Vor zwanzig Jahren hätte mich ein Bauarbeiter, den ich vor Gesundheitsschäden durch Asbest gewarnt hätte, mit der Dachlatte verprügelt. Heute sitzt er in der Wohnung und hat Angst, daß er Lungenkrebs bekommt.“

Die vermutete Einwirkung des Elektrosmogs geht über den Kopf. Im Gehirn erzeugt die Zirbeldrüse Melatonin, das für die Abwehrkräfte des Körpers benötigt wird. Das elektromagnetische Feld soll diesen Prozeß stören.

Allerlei Wohngifte können mit dem Sick-Building-Syndrom zu tun haben. Formaldehyd oder Holzschutzmittel sind aus den Schlagzeilen verschwunden, aber auch aus den Wohnungen? Gerade Mietern sei das Problem nicht so bewußt wie Hausbesitzern und „Häuslebauern“, meint Thomas Bauer im NRW-Ökozentrum in Hamm, das baubiologisch berät.

Auch in Berlin könne man noch viel Aufklärungsabeit leisten, berichtet Gunter Zahn. Zum Arbeitsgebiet der Gesellschaft für Gesundes Wohnen mbH gehört unter anderem die Analyse und Bekämpfung von Schimmelpilzen in Gebäuden und Wohnungen. Selbst bei der Bekämpfung dieses altbekannten Wohngiftes treffen Warnungen oft auf Unkenntnis. „Ich lüfte doch wie verrückt, wieso habe ich trotzdem Schimmel?“ bekommt Zahn da zu hören. Oft stehen auf der Fensterbank nett arrangierte Blumen, die die BewohnerInnen natürlich nicht täglich abräumen, sondern das Fenster nur auf Kipp stellen. Das nützt längst nicht soviel wie Stoßlüften – außerdem erzeugen die Pflanzen zusätzlich Feuchtigkeit. In den letzten Jahren hat sich das Problem gerade in Ostdeutschland verschärft, weil die Plattenbauten im Zuge der Energieeinsparung dichtere Fenster bekommen haben. Auch die Pflicht zur Heizkosten- Einzelabrechnung, gleichfalls umweltpolitisch motiviert, habe die Verbreitung des Schimmels gefördert: „Die Menschen lüften und heizen jetzt weniger als früher“, so Zahn.

Die Gesellschaft für Gesundes Wohnen (sieben MitarbeiterInnen), die als Ingenieurbüro mit langjähriger Erfahrung auch selbst Sanierungen übernimmt, arbeitet nach dem Grundsatz, daß man bei vielen Problemstellungen mehrere Faktoren in Betracht ziehen muß. Deshalb hat sie außer den herkömmlichen baubiologischen und ingenieurtechnischen Ansätzen auch ganzheitliche Methoden im Programm. Feng-Shui, eine Methode zur Harmonisierung von Wohn- und Arbeitsräumen und in China schon seit Jahrtausenden bekannt, wird Interessierten gerne angeboten. Die fernöstliche Lehre besagt, daß in einem Raum oder auch in ganzen Siedlungsbereichen Energien richtig geleitet und verteilt werden müssen, um das Wohlbefinden der Menschen zu ermöglichen. In China und vor allem Hongkong werden die Methoden sogar bei der Planung von Hochhäusern von vornherein beachtet.

Auch Lehren über geomagnetische Einflüsse auf den Menschen (Geopathie) finden oftmals Eingang in die Baubiologie. Die Gesellschaft für Gesundes Wohnen mbH berücksichtigt etwa das Hartmann-Gitter, das die Erde gleichmäßig überzieht. Alle zehn Meter, so die wissenschaftlich umstrittene Theorie, hat das Netz Schnittstellen, auf denen man lieber nicht schläft. Eine Analyse zeigt, wo das Bett am besten stehen sollte.

Ob man das für wissenschaftlich hält, hat auch mit der Region zu tun. Volker Dwornik vom Institut für Baubiologie meint, daß „in Süddeutschland das Angebot an grenzwissenschaftlichen Untersuchungen größer ist als im Norden“. Die Lehre vom Erdmagnetfeld findet er „halbwegs meßtechnisch nachvollziehbar. Das heißt also nicht, daß da nichts ist.“ Matthias Fink