Doch nicht böse

■ Blauäugig: "Böhse Onkelz - gute Onkel(z)", So. 17.30 Uhr, ARD

Es ist schon eine ziemlich seltsame Form der Entnazifizierung, die Erika Kimmel und Bernd Isecke in ihrem Feature „Böhse Onkelz – gute Onkel(z)“ betreiben. Mit den besten Absichten haben die Autoren drei prototypische Fans der vormals fremdenfeindlichen Punkband in ihrem sozialen Umfeld beobachtet, eine junge Polizistin, einen Baufacharbeiter und einen PDSler. Deren persönliche Frustration und berufliche Ausweglosigkeit spiegeln sich – so die problematische These des Films – in ihrer vehementen Identifizierung mit der Band aus Frankfurt, die seit Anfang der 90er zu den kommerziell erfolgreichsten Deutschlands zählt.

Indizierung, Auftrittsverbot und der Boykott vieler Plattenläden haben den Böhsen Onkelz in gewissen Kreisen zu Kultstatus verholfen. Ende der 80er haben sie sich von ihrem neofaschistischen Gedankengut losgesagt. Zahlreiche eingeblendete Textpassagen dokumentieren dies – scheinbar. Was der Film nicht im mindesten in den Blick bekommt, ist, daß im Band-Namen Böhse Onkelz programmatische Titel wie „Deutschland den Deutschen“, „Türken raus“ und „Türkenvotze kahlrasiert“ aufgehoben sind – und nie aus der Welt geschafft wurden.

Seinen früheren Extremismus einfach als „Jugendsünde“ zu bezeichnen, wie die Band es tut, ist ebenso lange verlogen, wie im Namen Böhse Onkelz der Gestus dieser einstigen Aussagen weiterhin eine diffuse Faszination anheizt, nach dem Motto: „Es ist gesagt worden, was gesagt werden mußte...“

Dementsprechend zickig verhielt sich auf der Pressevorführung Stephan Weidner, Texter und Bassist der Onkelz. Im Namen der künstlerischen Selbstverwirklichung keifte er eine Journalistin an, die die naheliegende Frage stellte, wie denn der erstaunliche Sinneswandel der Band zustande kam: „Was soll denn diese Rechts- links-Kacke!?“

Bedauerlicherweise kam in diesem Gespräch mehr vom Charakter der Band rüber als in dem gesamten Film. Das Feature ist blauäugig genug, die Böhsen Onkelz zu einem neutralen Stimmungsbarometer zu erklären, an dem man die Misere der arbeitslosen jugendlichen Fangruppe abliest wie ein Laborant chemische Werte an einer Skala. Und die Schwäche des Films besteht darin, die Annäherung an die pressescheuen Ex-Fremdenfeinde und ihre Fans mit journalistischer Unschärfe bezahlt zu haben. Manfred Riepe