Notstand in Kampanien ausgerufen

■ In Süditalien steigt die Zahl der Toten durch die Schlammkatastrophe noch. Illegale Rodung und Bebauung soll die Ursache gewesen sein

Quindici/Italien (AP/rtr/dpa) – Die italienische Regierung hat gestern in den von schweren Unwettern verwüsteten Gebieten Süditaliens den Notstand ausgerufen. Nach offiziellen Angaben wurden zudem umgerechnet etwa 50 Millionen Mark für Hilfs- und Wiederaufbauleistungen bewilligt.

Für die im Schlamm verschütteten Menschen bestand so gut wie keine Hoffnung auf Überleben mehr. Nach offiziellen Angaben wurden bisher 81 Tote gefunden. Die Angaben über die Zahl der Vermißten schwankten zwischen 107, wie die Zivilschutzbehörde erklärte, und weit über 200. Allein in Sarno seien 200 Menschen verschollen, berichteten Vertreter von dort.

Drei Tage nach der Katastrophe waren die Schäden in der Gegend zwischen Neapel und Salerno noch immer nicht abzusehen. Mehrere abgelegene Anwesen blieben abgeschnitten, da die Straßen unpassierbar waren. In Quindici am Fuße des 1.100 Meter hohen Berges Sarno, von dem sich am Dienstag eine Schlammflut ergossen hatte, lag der festgebackene Lehm etwa hüfthoch in der Hauptstraße. Familien versuchten, die Türen ihrer Häuser freizuschaufeln. Mehrere Einwohner beschwerten sich, da ihnen die Rettungskräfte nicht halfen. „Anstatt uns bei der Suche nach Vermißten zu helfen, beschweren sie sich“, sagte der Zivilschutzmitarbeiter Gaetano Simonetti. „Wir haben nicht so viele Lastwagen, wie wir brauchen.“

Hintergrund der Katastrophe ist nach Auffassung von Experten der jahrzehntelange Raubbau an der Natur. Wälder seien gerodet oder in Brand gesteckt, Flußbette zubetoniert, Häuser ohne Genehmigung in die Landschaft gesetzt worden. Dabei hat die Camorra die Hand im Spiel: Das Baugeschäft gilt als eine ihrer Haupteinnahmequellen.

Unterdessen räumte der Zivilschutz erhebliche Koordinationsmängel ein. Nun sollen in den besonders stark betroffenen Ortschaften Sarno und Quindici „Funktionäre mit großer Erfahrung“ die Lagezentren übernehmen. Die widersprüchlichen Vermißtenzahlen führte ein Sprecher auch auf falsche Angaben von Angehörigen zurück. Kommentatoren sprachen von einem „Chaos auf der ganzen Linie“.