„Davor sollte sich die ganze Welt verneigen“

■ Mehr Respekt vor sowjetischen Ehrenmälern in Deutschland fordert der Veteranenfunktionär Walentin Warennikow. Schließlich würden deutsche Soldatenfriedhöfe in Rußland auch nicht eingeebnet

taz: Sie nehmen heute an der Parade teil. Was bedeuten die Siegesfeiern für Sie nach einem halben Jahrhundert?

Walentin Warennikow: Für jeden Kriegsteilnehmer, egal auf welcher Seite, war der Krieg eine menschliche Tragödie, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgt. Für uns stellt der Krieg indes noch mehr dar: die Größe des sowjetischen Volkes. Keinem anderen ist es gelungen, die Hitlersche Kriegsmaschine aufzuhalten. Im Westen möchte man das Verdienst auf alle Alliierten verteilen, obwohl das nicht der Wahrheit entspricht.

Vor einigen Wochen haben Sie in der Duma eine Protestnote an den Bundestag initiiert, Deutschland solle die Erhaltung der Denkmäler sicherstellen.

Wir erhielten Informationen, wonach Deutschland den Ehrenmälern nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die man ihnen in der unmittelbaren Nachkriegszeit entgegenbrachte und wie es ihnen gebührt. Mir geht es darum, den Bundestag dazu zu bewegen, sich mit der Angelegenheit noch einmal ernsthaft zu befassen. Wir lassen es ja auch nicht zu, deutsche Soldatenfriedhöfe in Rußland einfach einzuebnen. Das Treptower Denkmal, der Sowjetsoldat mit dem deutschen Mädchen auf dem Arm, ist ein Symbol, vor dem sich die ganze Welt verneigen sollte. Wir haben Frieden gebracht. Wie kann man es zulassen, daß sich dort wieder Faschisten austoben?

Aus welchen Gründen geht die deutsche Seite heute so nachlässig mit den Vereinbarungen aus dem Zwei-plus-vier-Vertrag um?

Ich denke mal, für Deutschland stellt es keine allzu große Schwierigkeit dar, die Denkmäler zu erhalten. Wenn der Wille vorhanden wäre, müßte sich auch das Geld finden lassen. Zumal es nicht um ungeheure Beträge geht. Der Streit zwischen dem Bund und den Ländern scheint mir künstlich oder zumindest vorgeschoben. Er verrät eine unterschwellige Stimmung. Die Politiker befinden sich unter dem Druck ultraradikaler Kräfte. Sie lavieren, und auch die führenden Leute in Bonn wollen sich der Nation in einem bestimmten Licht präsentieren.

Wer sind diese „ultraradikalen Kräfte“?

Um das Feuer nicht weiter anzuheizen, belassen wir es bei dieser Formulierung. Immerhin regen sich Stimmen auch im Bundestag, die Denkmäler und Bilder gleichsetzen wollen.

Sie meinen, die deutsche Denkmalspolitik ist ein Retourkutsche, weil Rußland sich mit der Beutekunst unnachgiebig zeigt?

Nein, aber einige Abgeordnete wollen grundsätzlich beide Fragen miteinander verknüpfen. Das ist unzulässig, geradezu unmoralisch, es geht hier schließlich um Menschen, die ihr Leben gelassen haben! Man darf die Frage nicht ultimativ stellen: Wenn ihr die Bilder nicht zurückgebt, räumen wir die Gefallenendenkmäler ab. Außerdem scheint es einer dritten Kraft nicht zu gefallen, wenn die Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland frei von Belastungen sind. Ich denke an die USA.

Hat der Bundestag Ihnen geantwortet?

Bisher nicht, die Duma wird sich damit demnächst beschäftigen.

Warum macht Jelzins enger Freund Helmut Kohl die Angelegenheit nicht zur Chefsache? Womöglich macht das offizielle Moskau nicht den nötigen Druck?

Unsere deutschen Freunde wundern sich in der Tat, daß die russische Regierung nicht entschiedener auftritt. Allmählich regt sich da wohl etwas. Im Fall des Baltikums hat sich Moskaus Bürgermeister Luschkow solcher Themen angenommen. Wir müssen ihn wohl jetzt auf Deutschland ansetzen (lacht).

Das Kriegerdenkmal in Wolgograd leidet auch an Altersgebrechlichkeit. Haben Sie dagegen etwas unternommen?

Ein Trauerspiel ist das, eine Schande, wir kümmern uns darum selbstverständlich. Man kann aber nicht Rußlands und Deutschlands materielle Potenz miteinander vergleichen. Interview: Klaus-Helge Donath