US-Manager lieben den Osten

Die neuen Bundesländer sind für US-Firmen die bessere Wahl: 13 Milliarden Mark haben sie bereits investiert – in den Teil Deutschlands mit „mehr Spaß an der Arbeit“  ■ Von Toralf Staud

Leipzig (taz) – Wenn US-Präsident Bill Clinton diese Woche nach Deutschland kommt, wird er außer Berlin auch Eisenach besuchen, wo seit fünf Jahren die Adam Opel AG Autos produziert. Mit großem Pomp wird man den Präsidenten durch den Vorzeigebetrieb der General-Motors-Tochter führen: Das Werk ist eine der produktivsten Autofabriken überhaupt in der Welt, gleichzeitig mit rund 1,2 Milliarden Mark eine der größten Auslandsinvestitionen in Ostdeutschland.

Louis Hughes, Chef des Auslandsgeschäfts von General Motors (GM), schwärmte auf der Jahrestagung der Amerikanischen Handelskammer am vergangenen Freitag in Leipzig von den fast 2.000 Mitarbeitern seines Thüringer Werkes. Sie erreichten „höchste Arbeitsproduktivität“, in diesem Jahr soll die Produktion erneut um knapp zehn Prozent steigen: 774 Corsas und Astras werden dann täglich vom Band laufen.

Auch bei der Qualität sei Eisenach Spitze, sagte Hughes. Verglichen mit den anderen deutschen Werken, kämen aus Eisenach die meisten Verbesserungsvorschläge für den Produktionsablauf. Und wenn man, lobte Hughes, den Thüringer Opel-Werkern in die Augen blicke, sehe man „Stolz“ und „Selbstachtung“. Doch das ist in einem Bundesland mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von knapp 19 Prozent kein Wunder.

Mit seiner Begeisterung steht der Vorstand von General Motors nicht allein. Fred Irwine, Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, will ähnliches von vielen US-Firmen gehört haben. Generell gebe es in den neuen Bundesländern „eine höhere Arbeitsmoral als im Westen“. Der Ostler, meint Irwine, „hat Spaß an der Arbeit“ und sei flexibler. Amerikanische Firmen wüßten das zu schätzen.

Die Liste der US-Projekte in Ostdeutschland ist lang. Nach Angaben der Handelskammer investierten seit dem Fall der Mauer 174 amerikanische Unternehmen in den neuen Bundesländern insgesamt 13 Milliarden Mark, rund 60.000 Arbeitsplätze wurden gesichert oder geschaffen. Größter Brocken war mit 4,2 Milliarden Mark die Übernahme der Chemiewerke in Leuna und Buna durch Dow Chemical. Die Chipfabrik, die der Elektronikkonzern AMD derzeit in Dresden errichtet, kostet die Investoren 2,8 Milliarden Mark. Rund eine Milliarde steckte Coca-Cola in neue Brause-Abfüllanlagen. Die Mitteldeutsche Braunkohle AG ist inzwischen amerikanisch, die Dresdener Zigaretten-Fabrik ebenfalls. Für 250 Millionen Mark baut die Allstate- Versicherung ihre Europa-Zentrale in Teltow bei Berlin. Dutzendfach investierten Hotelketten, gründeten US-Konzerne Vertriebsniederlassungen.

An der katastrophalen Arbeitslosigkeit haben all die Milliardeninvestitionen wenig ändern können – die neuen Betriebe sind hochmodern und brauchen kaum Angestellte. So produzierten in den Automobilwerken Eisenach zu DDR-Zeiten rund 10.000 Menschen pro Jahr knapp 100.000 „Wartburgs“, Opel schafft heute mit einem Fünftel an Arbeitskräften doppelt so viele Autos. Im sachsen-anhaltischen Chemiedreieck um Halle fanden einst 28.000 Menschen Lohn und Brot, heute gibt es dort noch 9.000 Jobs.

Unter den Auslandsinvestoren belegen US-amerikanische Unternehmen im Osten Platz eins. Handelskammer-Präsident Irwine glaubt nicht, daß sich daran in den kommenden Jahren etwas ändert. „Sicherlich gibt es weitere Projekte“, verkündete er auf der Leipziger Jahrestagung.

Die bessere Arbeitsmoral, niedrigere Löhne und satte Subventionen im Osten trösten die Firmen dabei über manchen Standortnachteil hinweg, den sie ansonsten an Deutschland kritisieren. In einer Umfrage der Handelskammer forderten die US-Unternehmen vor allem eine Reduzierung der Lohn- und Lohnzusatzkosten sowie „flexiblere Arbeitsgesetze“. Außerdem, aber weit weniger, klagten sie über Bürokratie und die „Gewerkschaftsmacht“.

Kammerpräsident Irwine verlangt von der Bundesregierung an allererster Stelle eine kräftige Senkung der Steuersätze. Von einer ökologischen Steuerreform hält er dagegen überhaupt nichts. Schon heute seien die Energiekosten in Deutschland höher als in anderen europäischen Ländern, klagte Irwine und gewann damit in Leipzig zustimmendes Nicken der anwesenden Unternehmensvertreter. Opel-Sprecher Bruno Seifert meldete sich und rechnete vor, daß sich die höheren Energiepreise bei der Herstellung eines Corsa in Eisenach gegenüber der Fabrik in Belgien auf rund 80 Mark summieren. „Multipliziert mit 166.000 Stück im letzten Jahr sind das enorme Summen.“

Ziemlich gelassen wurde dagegen der Einzug der rechtsextremistischen DVU in den sachsen-anhaltischen Landtag kommentiert. Der US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, nannte den Stimmenanteil von knapp 13 Prozent ein „Zeichen von wirtschaftlicher Unzufriedenheit“. Auswirkungen auf künftige Investitionen von US-Unternehmen werde dies nicht haben. Verbandsfunktionär Irwine erklärte, die Firmen planten derartige Entscheidungen lange im voraus. Der DVU-Erfolg werde „wenig bis null Einfluß haben, solange es nur bei Sachsen- Anhalt bleibt“.