Barbarisch rohe Brasilianer

■ Vorschau: „Ratos de Porao“ mit kreischenden Höhen aus den Schlachthof-Favelas

Entweder sind Joao und seine Kumpels lebensmüde, oder sie sind sehr verzweifelt. Denn richtig leicht hat man es als Punker mit Metalfrisur nirgends – und schon gar nicht in Brasilien, wo die Armut allgegenwärtig ist und die schießfreudige Polizei alle, die anders sind, grundsätzlich nicht leiden kann. Und trotzdem läßt Joao seinen Frust unter solchen Umständen seit 15 Jahren als Sänger der brasilianischen Metalpunkband Ratos de Porao raus – ein Zeichen dafür, daß diese Jungs es wirklich ernst mit dem Protest meinen.

Die Ratos de Porao sind ein Beispiel dafür, wie Metal und Punk als Musik der Unangepaßten rund um die Welt zu Hause ist – auch unter den widrigsten Umständen. Die Metalband Sepultura war die erste, die Brasilien als ernstzunehmenden Standort in Sachen harte Musik in internationale Rockmagazine und Fanzines brachte. Ihre Geschichten handelten von paramilitärischen Killerkommandos und perspektivelosen Klebstoffschnüfflern in den Favelas. Sie machten den Metallern der Ersten Welt deutlich, daß es größere Probleme als eine leere Kiste Bier gibt. Der weltweiten Popularität von Sepultura ist es zu verdanken, daß man mittlerweile auch zuhört, wenn die Ratos de Porao auf portugiesich, spanisch und englisch ihre Wut herausbrüllen. Angesicht der Ingnoranz, der Korruption und der Gewalt in den Favelas haben Joao und Co. dafür Grund genug.

Songtechnisch merkt man den Brasilo-Moshern an, daß sie viel von derben englischen 80er-Jahre-Punkbands wie Heresy gelernt haben, ohne jedoch stumpf abzukupfern. Vor allem aber die Klanglandschaft der Ratos hebt sich wohltuend vom einheitlichen Marshall-Turm-Sound der meisten US- und EU-Mosher ab. Von Samba und Karneval keine Spur: Fies fräsen die Gitarren, der Baß wird durch einen billigen Verzerrer gejagt. Auch sein Sound ist von kreischenden Höhen geprägt. Stücke wie „Corrupcao“ sind natürlich durch die Lebensumstände der Band bedingt und werden selten von deutschen Bands thematisiert. Songtitel wie „Caos“, oder „Polucao Atomica“ belegen aber auch, daß es viele Überschneidungen mit europäischen Protestbands gibt.

In den letzten 15 Jahren haben die Brasilianer 13 Alben veröffentlicht. Anders als die mittlerweile kommerziell erfolgreichen Sepultura aber gehen die Ratos nach wie vor song- und soundtechnisch barbarisch roh und kompromißlos an die Sachen heran. So sind sie ein eindrucksvoller Beweis dafür, daß rund um den Zuckerhut in Sachen schwere Gitarren Aufregendes passiet. L.R.

Ratos des Porao heute, 12. Mai, um 20 Uhr im Maganzinkeller des Schlachthofs