"Praktikantinnen haben frei"

■ Dafür teilt Bill Clinton morgen nacht das "Interconti" mit 80 Tennisspielerinnen. Hotel-Chef: "Clinton ist ein pflegeleichter Präsident." Trotzdem gibt's millionenteures Leihgeschirr und Bodenproben

In der Lobby lümmeln breitschultrige amerikanische Kerle auf den Sofas. Sie tragen schwarze Sonnenbrillen, kauen gelangweilt Kaugummi und hören Walkman. Plötzlich erschallt das Kommando „Let's go!“. In die trägen Sicherheitsbeamten kommt Bewegung. Sie schnappen ihre Sporttaschen und verschwinden in einem blauen Transporter.

„Der Countdown läuft“, sagt Willy Weiland, Generaldirektor des Hotels Interconti. Die letzten Vorbereitungen für den Besuch des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton am morgigen Mittwoch laufen auf Hochtouren. Ob Clinton das Hotel wie 1994 durch die Garage betritt, ist jedoch noch genauso unklar wie der Speiseplan für sein Frühstück.

Doch Willy Weiland ist hohe Staatsbesuche gewohnt. Er macht sich keine Sorgen: „Clinton ist ein pflegeleichter Präsident, genügsam und gesundheitsbewußt.“ Clintons bevorzugtes Getränk, Diet-Coke, wird aber sicherheitshalber schon mal kalt gestellt.

Clinton wohnt in der luxuriösen 200 Quadratmeter großen Präsidentensuite, die extra für ihn für 1,3 Millionen Mark umgebaut und renoviert wurde. Clintons Mitarbeiterstab und Außenministerin Madelaine Albright belegen 200 weitere Zimmer des Hotels. Für den Hofstaat wurden spezielle Büros eingerichtet. Mehr als 1.000 Berliner Hotelzimmer wurden für Chauffeure, Hubschrauberpiloten und andere unverzichtbare Mitarbeiter gebucht.

Auch Generaldirektor Weiland kann nicht über leere Betten klagen: Bill Clinton, der ohne Hillary (!) kommt, teilt das Hotel mit 80 Tennisspielerinnen, die diese Woche in Berlin die German Open bestreiten. Wer die Augen offenhält, erspäht vielleicht auch den japanischen Parlamentspräsidenten, der zeitgleich mit Clinton im Interconti residiert.

Auch im Hotel Adlon wird fieberhaft gearbeitet. Morgen abend wird Clinton dort auf Einladung von Bundespräsident Roman Herzog zusammen mit 250 geladenen Gästen dinieren. Clinton und die 24 Ehrengäste werden von speziell ausgewählten Kellnern bedient. „Sämtliche Praktikantinnen haben frei“, verrät ein Kellner. Mit am Tisch werden Kohl nebst Gattin und Außenminister Kinkel sitzen. Das Gedeck ist opulent. Besteck und Geschirr im Wert von 3 Millionen Mark sind eine Leihgabe des Schlosses Sanssouci. Beim Trinkwasser ist besondere Sorgfalt angebracht. Clinton bevorzugt Eiswasser aus der Karaffe, der Dicke legt auf Sprudel der Marke „Heppinger“ wert, und Frau Hannelore trinkt nur stilles Wasser von Evian.

Für die Tischreden und das Verputzen des viergängigen Menüs sind genau 75 Minuten vorgesehen. Die Auswahl der Hauptspeise zeugt von der Ignoranz des Bundespräsidentenamtes gegenüber den Agrarprodukten der neuen Bundesländer. Statt aus Beelitz kommt der Spargel aus Baden.

Während des gesamten Clinton- Besuches herrscht in der Stadt Sicherheitsstufe eins. Was die Details angeht, geben sich die Verantwortlichen zugeknöpft. „Wir werden alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Sicherheit des US-Präsidenten zu garantieren“, erklärte die Polizeipressestelle. „Der Sicherheitsaufwand ist enorm“, so das Bundespresseamt. Für den Schutz ihres Präsidenten ist den Amerikanern offenbar nichts zu teuer. Seit Tagen wird die Stadt von mehreren hundert Beamten des Secret Service durchkämmt. Die Bodyguards checken alle Stationen und Routen von Clinton ab, an denen später Scharfschützen auf den Dächern postiert werden. Auch die Plätze, wo Clinton mit seinem mitgebrachten Hubschrauber landen wird, werden überprüft. Die Entnahme von Bodenproben soll darüber Aufschluß geben, ob der Untergrund nicht zu weich ist. Auf der Straße bewegt sich Clinton ohnehin nur in seiner gepanzerten Limousine, die bei Staatsbesuchen immer mitfliegt.

Bei seinem letzten Besuch war die halbe Stadt zwei Tage lang gesperrt. Wo Clinton auftauchte, herrschte absoluter Ausnahmezustand. Den Hausbesetzern in der Tucholskystraße in Mitte wurde sogar verboten, auf ihrem Dachgarten Punkmusik zu hören. Weil die Polizei einen Aufpasser neben dem Sicherungskasten postiert hatte, als Clinton die benachbarte Synagoge besuchte, blieben die „Dead Kennedys“ stumm. Plutonia Plarre, Kirsten Küppers