Das Portrait
: Kumpel mit Sex statt Sexskandalen

■ Joseph Estrada

„Das wird die letzte und größte Vorstellung meines Lebens“, versprach Joseph Estrada. „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt. Ich bin froh, zu den Auserwählten zu gehören.“ Den letzten Meinungsumfragen zufolge ist dem 61jährigen ehemaligen Schauspieler der Sieg bei den Präsidentschaftswahlen fast sicher. Bis zuletzt hatte Kardinal Jaime Sin, das Oberhaupt der philippinischen Katholiken, versucht, dies zu verhindern. Als Feigling, Trinker und Frauenheld, der „das Land in einen Abgrund von Laster und Verbrechen“ stürzen werde, wurde Estrada von seinen Rivalen beschimpft. Er, den seine Anhänger Erap – Kumpel – nennen, sei so ungebildet, daß er nicht einmal das Wort „Globalisierung“ aussprechen könne, mokierten sich die Kommentatoren.

Doch der Politiker mit dem verruchten Blick, kecken Bärtchen und schweren Gang wendete die Beleidigungen zu seinen Gunsten: Ja, sagt er mit einer Whiskystimme, er habe viele Frauen gehabt. In puncto Sexskandale könne er Bill Clinton noch einen Rat geben, denn „der hatte die Skandale und ich den Sex“. Seine Macho- Rolle trainierte er in mehr als 100 Filmen, in denen er ehrliche Gangster, arme Helden, und gute Rabauken spielte. Aus diesen Filmen kennen ihn die Leute. Von seinem Ruhm als Kämpfer für die Sache der Armen, der sich gegen die Elite aus Manila ebenso wehrt wie gegen das Verbrechen, zehrt er noch heute.

Estrada, achtes von zehn Kindern einer Mittelstandsfamilie, wurde mit seinen Filmen zum Multimillionär. Auch als Politiker brilliert er in der Rolle des Beschützers der Armen. Bei den Linken hatte er sich 1991 beliebt gemacht, als er im Senat für die Schließung der US-Militärbasen stimmte. Begonnen hatte Estradas politische Laufbahn als Bürgermeister von San Juan, einem Stadtteil von Manila. Sein gutes Verhältnis zum damaligen Diktator Ferdinand Marcos, dessen Frau Imelda Gouverneurin von Manila war, ist kein Geheimnis. Als oppositioneller Vizepräsident in der 1992 gewählten Regierung von Fidel Ramos machte sich Estrada einen Namen als Chef der Regierungskommission gegen das Organisierte Verbrechen. Selbst seine Kritiker gestehen zu, daß er sich im Wahlkampf gute Berater zusammengesucht hat. Ob er es sich als Präsident abgewöhnen kann, erst nachmittags im Dienst zu erscheinen? Jutta Lietsch