Das Selbst und Sex als Strategie

■ „Me, Myself and I“: Die Hamburger Filmemacherin Monika Treut dokumentiert die Leben der Eva Norvind

„Feels like it is another woman.“ Mit diesem Satz kommentiert Eva Norvind die verschiedenen Stationen ihres Lebens, die Monika Treuts 1997 fertiggestellter Dokumentarfilm Didn't Do It For Love nachzeichnet: 1944 in Norwegen geboren als Kind eines russischen Prinzen und einer finnischen Bildhauerin, Showgirl in Paris und Quebéc, Pinup-Ikone und B-Moviestar und „Blonde Sexbombe“ des mexikanischen Films, Fotografin und Journalistin, Underground-Salondame, geschäftstüchtige Domina und S/M-Pädagogin in New York und schließlich Jura-Studentin mit dem Ziel, Sexualverbrechern helfen zu können. Was der Zuschauer verfolgt, sind Überlebensstrategien und Selbstfindungsprozesse einer Frau, die zwischen Sexualität und ihrer medialen Vermarktung kreisen. In gewisser Weise führt Didn't Do It For Love damit vom Körper Eva Norvinds zur Person und wieder zurück. Beides ist letztlich untrennbar, was paradoxerweise immer deutlicher wird, je mehr Bilder von/über Eva Norvind dazu kommen. Wie gesagt: „Feels like it is another woman.“

Die Kamera begleitet Eva Norvind bei dieser Reise zu sich selbst. „La Norvind“, wie sie im Mexiko der sechziger Jahre hieß, zeichnet selbst ihre Stationen nach – Freunde und Familienangehörige helfen ihr dabei und fördern damit weitere Gesichter zutage. Zusehends wird eine klare Zuschreibung schwieriger und das Wiedererkennen permanent unterlaufen. Zu den großen Stärken des Films gehört so auch, daß trotz dieses Lebenswegs Eva Norvind zu keiner Zeit zu der fernen Ikone wird, die Teil ihrer eigenen Vermarktung gewesen ist.

Über die gesamten 80 Minuten bleibt Didn't Do It For Love das persönliche Forum für Eva Norvind, und Monika Treuts Kamera ist vollauf damit beschäftigt, mit dem (Lebens-)Tempo ihres schwer zu greifenden Objekts Schritt zu halten. Treut hatte Norvind in New York kennengelernt, als sie dort Die Jungfrauenmaschine drehte; nach Misbehaviour, einem Filmüber den Pornostar Annie Sprinkle mit Kommentaren der amerikanischen „Sex-Philosophin“ Camilla Paglia, hatte die Norwegerin der Hamburgerin vorgeschlagen, eine Art Misbehaviour II über ihr eigenes Leben zu drehen.

Der Mehrdimensionalität Eva Norvinds kann Didn't Do It For Love kaum etwas entsprechendes entgegensetzen – wenngleich sich diese Vielschichtigkeit letztlich über das vermittelt, was uns der Film erzählt und zeigt. Und auf eine Art hat auch dieses Verhältnis zwischen Didn't Do It For Love und Eva Norvind eine Menge mit dieser Frau zu tun: „It's easy“, sagt Eva Norvind über sich selbst, „to travel around the world – what's difficult is to stay in one place with myself.“ Jan Distelmeyer

Donnerstag bis Mittwoch, 15.15 u. 23 Uhr, Abaton-Kino