Nur noch Kulisse der Weltpolitik

■ Einst Schauplatz der Weltpolitik, dient die Hauptstadt nur noch als Kulisse für Staatsbesuche. Der Regierende Bürgermeister muß sich beim Clinton-Besuch auf Gastgeberrolle beschränken

Vorbei sind die Zeiten, als der Regierende Bürgermeister Berlins im Mittelpunkt von Staatsbesuchen stand. Diese Rolle ist mit dem Fall der Mauer und dem Abzug der Alliierten dahin. So wird Eberhard Diepgen (CDU) heute abend im Schauspielhaus nur eine kurze Begrüßungsansprache halten, bevor US-Präsident Bill Clinton und Bundeskanzler Helmut Kohl ihre Reden zum deutsch-amerikanischen Verhältnis halten. Am Donnerstag wird Diepgen bei der Feierstunde zum Gedenken an die Luftbrücke auf dem Flughafen Tempelhof eine US-amerikanische Transportmaschine auf den Namen „Spirit of Berlin“ taufen.

Berlin ist nicht mehr Schauplatz von Weltpolitik, sondern bestenfalls noch Kulisse. Den Bedeutungsverlust kann man in der CDU jedoch verschmerzen. „Wir freuen uns, daß uns die Show gestohlen wird“, so CDU-Fraktionssprecher Markus Kaufmann. Dies sei „ein Stück Normalisierung“. Die Sonderrolle Berlins habe ja „nicht unter günstigen Vorzeichen gestanden“, sagte er in Anspielung auf Blockade und Mauerbau.

CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky hatte die veränderte Rolle Berlins in einer Parlamentsrede vor einiger Zeit aufgegriffen: „Nichts wird mehr so sein, wie es vorher war — und woran sich viele gewöhnt hatten: Berlin-Politik ist nicht mehr zwangsläufig Weltpolitik. Wir, die wir hier sitzen, werden dann bei weitem nicht mehr so wichtig sein, wie wir uns heute noch nehmen. Manches, was uns heute noch wie der Nabel der Welt vorkommt, wird morgen schon den Rang einer kommunalpolitischen Auseinandersetzung haben. Und das ist gut so!“

Auch US-Botschafter John Kornblum wertete es gestern als Fortschritt, daß die Stadt ihren Sonderstatus verloren habe. Berlin-Politik sei nicht mehr „eine Frage von Krieg und Frieden“. Berlin sei „nicht nur eine Stadt, zu der wir enge Beziehungen hatten, sondern auch der neue Mittelpunkt Europas“. Clinton werde dies mit seiner Rede im Schauspielhaus unterstreichen, so Kornblum.

Auch wenn Lokalpolitikern dort nur der Platz in der zweiten Reihe bleibt, gilt: dabeisein ist alles. Neben den SenatorInnen sind die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und PDS eingeladen, ebenso die Bezirksbürgermeister und die Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Um das Weltereignis nicht zu verpassen, verschob die BVV Reinickendorf sogar eigens ihre Sitzung von Mittwoch auf Donnerstag. Dorothee Winden