Gene dürfen verwertet werden

■ EU-Parlament stimmt für umstrittene Richtlinie

Straßburg/Berlin (taz) – Die Gentechnik-Industrie hat gestern im Europaparlament einen „Sieg der wirtschaftlichen Interessen über ethische Werte“ erreicht. Nach Ansicht der Grünen, die mit Transparenten und Piratenmasken gegen das Patentrecht auf biotechnologische Erfindungen protestiert haben, hat das Parlament der Biopiraterie Tür und Tor geöffnet und menschliche Gene zu „verwertbarem Material“ degradiert. Mit großer Mehrheit hat das Europaparlament gestern eine Richtlinie verabschiedet, nach der menschliche Gene künftig patentiert werden können, wenn der medizinische Nutzen nachgewiesen wird. Der Patentinhaber hat dann 20 Jahre lang das alleinige Recht, seine Entdeckung gewinnbringend verwerten zu lassen. Keinen Patentschutz soll es für das Klonen von Menschen, für Forschung an Embryonen und für Eingriffe in die Erbsubstanz geben können.

Die Grünen im Europaparlament prüfen jetzt die Chancen, die Patentrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall zu bringen. Außerdem wollen sie auf die Parlamente der Mitgliedsstaaten einwirken, um die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht zu verhindern.

Nachdem der EU-Ministerrat, in dem die nationalen Regierungen vertreten sind, der Patentrichtlinie bereits zugestimmt hatte, wird sie voraussichtlich im September in Kraft treten. Die Mitgliedsländer haben dann zwei Jahre Zeit, die europäische Regelung in ihre Gesetze einzuarbeiten. Die Chancen der Grünen, die Umsetzung der EU- Richtlinie in den Hauptstädten zu verhindern, sind allerdings eher dünn. In den EU-Verträgen haben sich alle Mitgliedsländer verpflichtet, die Gesetzgebung der EU zu akzeptieren.

Neben den Konservativen folgte auch die Mehrheit der Sozialdemokraten ihrem Berichterstatter Willi Rothley, der neben wirtschaftlichen Vorteilen für die Pharmaindustrie auch die Notwendigkeit eines einheitlichen Rechtsrahmens hervorhob. Denn mit oder ohne Gesetz würden menschliche Gene längst patentiert. ECOBP, ein Zusammenschluß von 40 Umwelt-, Tierschutz- und Entwicklungsorganisationen, wirft dem EU-Parlament vor, die Möglichkeit verpaßt zu haben, der Forschung ethische Grenzen zu setzen.

Nach Einschätzung des Europäischen Patentamtes ist die Verabschiedung der Patentrichtlinie nur ein Etappensieg für die Biotech-Industrie. Denn die Patentrichter sind nicht der EU, sondern dem Europäischen Patentübereinkommen verpflichtet. Und das verbietet die Patente auf Leben bisher. A. Berger/W. Löhr Berichte Seite 2