■ Viele Elternhäuser bauen auf den Lohn der Prostitution. Forscherinnen rühren an ein Tabuthema
: Das große Schweigen über das Hurengeld

Wer durch die armen Provinzen in Thailands Norden und Nordosten reist, wird über großzügige Wohnhäuser zwischen den Reisfeldern staunen. Bauern, die oft nur ein winziges Stückchen Land besitzen, haben sie gebaut – vom Geld der Töchter, die auszogen, für sich und ihre Familien ein besseres Leben zu finden. Viele der Mädchen landen in den Bars und Bordellen von Bangkok und Pattaya, Tokio und Berlin. Einige wählen diese Arbeit freiwillig, andere wurden von Vermittlern mit der Aussicht auf einen Job im Restaurant gelockt und dann zur Prostitution gezwungen. Sogar die eigenen Eltern verkaufen die Mädchen an Zuhälter.

Für manche Orte in Thailand ist die Prostitution der Töchter in den letzten dreißig Jahren zur wichtigen Quelle des Wohlstandes geworden. Eltern, Dorfchefs, Polizisten und auch die Mönche in den Tempeln tun so, als ob sie nicht wüßten, woher das Geld kommt. Wenn die Frauen in ihre Dörfer zurückkehren, fragt niemand nach ihren Erfahrungen. Und die Frauen berichten von einem Leben als erfolgreiche Geschäftsfrau.

„The Traffic in Women“ (Der Handel mit Frauen) ist das Ergebnis einer Untersuchung der thailändischen Foundation for Women und des Frauenstudienzentrums der holländischen Universität Leiden. Über ein Jahr lang befragten Forscherinnen 131 thailändische Prostituierte in den Rotlichtvierteln Bangkoks und Pattayas, wie und warum sie zu dieser Arbeit gekommen waren. Sie besuchten Dörfer im Norden und Nordosten Thailands, sprachen mit Rückkehrerinnen aus Japan und Deutschland, mit Müttern und Vätern, Dorfpolitikern und Äbten der Klöster. Die Reaktionen waren durchaus gemischt: Einerseits versuchten die Familien, ihre Töchter aus Japan zurückzuholen, als sie erfuhren, unter welchen Bedingungen sie dort arbeiten mußten. In anderen Fällen reagierten die Bewohner unwirsch: Die Forscherinnen sollten sich da gefälligst heraushalten, hieß es. Fazit: „Es ist klar, daß ein großer Bereich des Menschenhandels im Schatten bleibt. Eine Verschwörung des Nichtwissens verbindet in manchen Fällen die Familien mit den Vermittlern, die Frauenhändler und die Kunden. Wenn dieses ganze Zusammenspiel im Verborgenen bleibt, kann das Gesicht gewahrt bleiben; aber die jungen Frauen müssen ihr Schicksal heimlich und schweigend ertragen.“ Das sehr empfehlenswerte Buch bietet eine Fülle von Informationen über die sozialen Hintergründe der modernen Sklaverei und die jüngeren Entwicklungen des Menschenhandels. Die Autorinnen berichten von den Methoden der Agenten und Zuhälter. Sie zeichnen die Routen nach, über die Frauen in die Prostitution ins Ausland gelangen, und die Reaktionen der Polizei und Behörden in den „Empfängerländern“. Schließlich legen sie einen Katalog von Vorschlägen zur Bekämpfung des internationalen Frauenhandels vor. Jutta Lietsch

Siriporn Skrobanek, Nattaya Boonpakdi und Chutima Janthakeero: The Traffic in Women. Human Realities of the International Sex Trade, Zed Books Ltd, London und New York 1997