Null-Reaktion auf Anti-Atom-Beiräte

■ Anti-Atom-Forum will weiter demonstrieren / Gutachter warnen vor erheblichen Risiken durch die Transporte

Mit gewaltigem Krachen schiebt sich der Sattelschlepper unter die Brücke. Die gesamte Konstruktion wird in ihren Grundfesten erschüttert. Trotzdem – sie hält, bleibt wie durch ein Wunder stehen.

So geschehen im Herbst vergangenen Jahres an der Eisenbahnbrücke nach Dreye. Zum Glück konnten alle Züge rechtzeitig gestoppt werden. Rein theoretisch hätte es bei dem Lkw-Unfall aber auch zu einem großen Atomunglück kommen können. Über die Eisenbahnstrecke werden die meisten Atom-Transporte aus den Kraftwerken Stade, Brockdorf, Brunsbüttel und Krümmel geleitet. Besonders brisant sind dabei vor allem die Transporte aus Krümmel. „Dabei werden nämlich die Behälter benutzt, die sich jetzt als nicht ausreichend getestet herausgestellt haben“, berichtet Helga Riensky vom Bremer Anti-Atom-Forum (BAAF). „Es hätte übel geendet, wenn ausgerechnet diese Transportbehälter über die beschädigte Brücke geleitet worden wären.“

Mit diesem anschaulichen Beispiel untermauert Helga Riensky immer wieder ihre Forderung, keine Atomtransporte – etwa 16-20 über die Schiene und etwa 160 über die Häfen in Bremerhaven – über Bremisches Gebiet zu leiten. „Das ist viel zu dicht besiedelt. Ein Unfall hätte schreckliche Folgen.“ Wie berichtet, hat sie darum die Bürgerinitiative BAAF mit begründet und eine Initiative in den meisten Beiräten der Stadt gestartet. Insgesamt zwölf haben inzwischen eine Resolution verabschiedet mit gleichem Wortlaut: „Der Beirat ist der Ansicht, daß Atomtransporte unverantwortliche Risiken bergen und fordern den Senat auf, keine Atomtransporte mehr über Bremisches Gebiet zuzulassen.“

Genutzt haben diese Resolutionen bisher nichts. Der Senat rührt sich nicht. Klaus-Peter Fischer, Ortsamtsleiter Neustadt/Woltmershausen, ärgert sich: „Immer wieder fragen wir etwa beim Senator für Inneres oder für Verkehr und Häfen nach. Aber man ignoriert uns einfach.“ Dabei berühren die Transporte zentrale Bremer Stadtteile. Züge mit der strahlenden Fracht fahren durch die Neustadt, über die Weserbrücke, den Rangierbahnhof Oslebshausen, den Hauptbahnhof, entlang der Bismarckstraße in den Bahnhof Hemelingen, um dann über besagte Brücke nach Dreye weiter geleitet zu werden. Das betrifft tausende BremerInnen.

Tausende BremerInnen, die im Ernstfall keine Chance mehr auf ein Überleben hätten. So haben die Professoren Cornelius Noack und Gerald Kirchner im Auftrag des Senats ein Gutachten erstellt. Darin heißt es: „Die Durchfahrt durch den Hauptbahnhof führt durch dicht besiedelte Wohngebiete in unmittelbarer Nähe der Gleisanlagen. Eine genügend schnelle Evakuierung im Katastrophenfall wäre ausgeschlossen.“ Zum Güterbahnhof Oslebshausen kommen die Gutachter zu dem Schluß: „Der Güterbahnhof, der generell Rangierstation für alle Nukleartransporte auf der Schiene ist, liegt nicht nur ebenfalls inmitten eines Wohngebiets, sondern ist zudem für die Feuerwehr schwer zugänglich und sehr unübersichtlich.“ Zudem führen die Wissenschaftler aus, daß „die Möglichkeiten und Verfahren der Deutschen Bahn zur Transportsicherung unzureichend sind“. Ein weiteres Risiko entdecken sie in dem Verladen der Behälter im Containerhafen Bremerhafen. Dort werden die Container – befüllt mit dem hochstrahlenden Plutonium oder Uran-Hexafluorid – deutlich über ihre getestete Sicherheitsmarge von neun Metern gehoben, um sie auf die Schiffe etwa ins schottische Endlager Dounray zu bringen. Die Grünen aus der Seestadt sprechen gar von der doppelten Verladehöhe.

„Sollte es tatsächlich logisch erkennbare Sicherheitsübertretungen geben, würde unser Hafenmeister das Verladen unterbinden“, ist sich dagegen Rüdiger Staats, Sprecher des Häfensenators Uwe Beckmeyer (SPD), sicher. Das Gutachten, in Beckmeyers Auftrag erstellt, kommt jedoch zu anderen Schlüssen. Ebenso die Bremer Grünen. Darum haben sie Senator Beckmeyer jetzt zu einer Podiumsdiskussion in Bremerhaven eingeladen. Dort stellt sich Beckmeyer seinen politischen Gegnern Manfred Schramm und Lisa Wargalla von der Grünen, als auch Professor Cornelius Noack und unter Umständen einem Vertreter der Deutschen Bahn AG. Der Beginn der Diskussion ist am kommenden Dienstag (19. Mai) um 20.00 Uhr im Capitol an der Hafenstraße 156.

Viel Neues wird der Senator dort aber nicht zu berichten haben. Sein Sprecher Rüdiger Staats wies daraufhin, daß Beckmeyer die Hände gebunden seien. „Es handelt sich bei dem Atomrecht um ein Bundesgesetz. Da können wir nur bitte, bitte machen.“ Man sei sich selbst darüber im Klaren, daß die Transporte nicht absolut sicher seien. Immerhin könne die Behörde aber einen kleinen Erfolg verbuchen. „Nach dem Greenpeace-Protest im Dezember gegen einen Transport nach Schottland haben wir uns mit den zuständigen Bundesbehörden in Verbindung gesetzt.“ Danach habe es keine Plutonium-Transporte mehr aus dem Brennelementewerk Hanau über Bremem gegeben.

Sollte eine Politik der kleinen Schritte also doch etwas fruchten? Darauf setzt jetzt auch das Anti-Atom-Forum. Helga Riensky: „Über die Beiräte haben wir immerhin die Bevölkerung wachgerüttelt.“ Zudem will die Initiative die Transporte weiter „kritisch begleiten“. Im Klartext: Demonstrationen gegen Atomtransporte.

Jens Tittmann