■ Der Osten wird rot-rot. Das ist kein Zukunftsmodell, sondern Teil eines Transformationsprozesses, bei dem die PDS an Einfluß verliert
: Die Jusoisierung der PDS

Wächst jetzt zusammen, was nicht zusammen gehört? Für Peter Hintze ist seit Mitte der Woche die SPD wieder auf dem direkten Wege in die Volksfront mit der PDS. Nun hört der Pfarrer das Gras auf dem Feld des politischen Gegners wachsen, schon weil er auf dem eigenen nichts zu bestellen hat. Um den Nährwert wird auch in Unionskreisen noch gestritten, doch man hofft auf Teufel komm raus, daß es ins Kraut schießen möge.

Daß dies möglich sein könnte, verunsichert auch die SPD, der das Vorgehen ihrer Genossen in Magdeburg weiß Gott nicht geheuer ist. In deutlichem Kontrast zur Aufgeregtheit der letzten Tage steht die eher hingeworfene Bemerkung von Franz Müntefering, daß es prinzipiell kein Unterschied sei, ob sich eine SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder in Thüringen von der PDS tolerieren lasse. Nun braucht es nicht allzuviel politischer Ortskenntnisse, um sich auszumalen, daß nicht nur in Sachsen- Anhalt, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen aus der Möglichkeit bald Wirklichkeit wird. In Sachsen und Brandenburg verbieten sich solche Überlegungen eher wegen der Mehrheitsverhältnisse, doch weniger aus Prinzip.

Der Osten wird rot. Rot-rot, denn Grün spielt in diesem Kalkül zur Zeit keine berechenbare Rolle mehr. Man muß nicht in Hintzes Hysterie verfallen, um allein ob dieser raumgreifenden Tendenz die Frage nach dem inneren Verhältnis dieser beiden ungleichen Partner zu stellen.

Rot-rot im Osten ist nicht gleich rot-grün im Westen, im Gegensatz dazu liegt ihm kein Projekt, das in die Zukunft weist, zugrunde. Es ist kein Zeichen des Aufbruchs, sondern Bestandteil eines Transformationsprozesses, an dessen Ende sich für die PDS die Frage ihrer politischen Existenzberechtigung stellen wird.

Für die ostdeutsche SPD bricht jetzt die sozialdemokratische Ära an, die alle schon bei der ersten freien Volkskammerwahl erwarteten. Diese Erwartung speiste sich seinerzeit aus der bürgerrechtlichen Avantgarde-Position, aus dem Ansehen sozialdemokratischer Ostpolitik und aus einer Wähler-Empirie, die auf der kurzen Nachkriegszeit der Ost-SPD basierte. Es wäre durchaus mit der Tradition der Ost-Politik vereinbar gewesen, den sozialdemokratischen Berghofer-Flügel der SED/ PDS in die neue SPD zu integrieren, doch scheiterte dieses Unterfangen an den aus der Opposition kommenden Ost-Sozialdemokraten. Mit ihrer Politik der strikten Abgrenzung trug so die SPD auch zur inneren Festigung der SED/ PDS bei. Diese Politik wurde zwar mit historisch-moralischen Argumenten verfochten, ihren Kern bildete jedoch der Wunsch nach Konsolidierung der eigenen schwachen Kräfte. Die Ablehnung des ehemaligen ZK-Kaders Uschner war seinerzeit die Botschaft an all die anderen postsozialistischen Kamele, daß ihnen das sozialdemokratische Himmelreich nicht offenstehe.

Diese Linie verstetigte sich in dem Maße, wie sie von der CDU gen Westen zur alten Frontstellung Kommunist gegen Demokrat verlängert wurde. An dieser orientierte sich auch die SPD bis in ihre Dresdner Erklärung hinein, mit der sie 1994 eine Zusammenarbeit mit der PDS ausschloß.

Die Klarheit der Konfrontation verschwiemelte, als sich der SPD mit dem Fall Stolpe selbt die Frage nach der Verstrickung mit der Vergangenheit stellen mußte. Mit der zeitlichen Distanz wurde die Verantwortung der PDS für die Untaten ihrer Vorläuferpartei SED zudem in einem zunehmend milderen Licht betrachtet. Sie relativierten sich angesichts der gegenseitigen politischen Erfahrung in den Landtagen und Kommunalparlamenten.

Entscheidend erleichtert wurde diese Annäherung dadurch, daß die SPD an politischer Stärke gewann, wie die PDS die ihre verlor. Deren Westausdehnung ist gescheitert. Der Anspruch, sozialistische Alternative links von SPD und Grünen zu sein, zerbricht am Unvermögen, eine eigene Programmatik in sich schlüssig zu formulieren und zur Praxis runterzubrechen.

Die PDS ist eine Partei einiger weniger Milieus. Das stärkste ist das der alten SED-Mitglieder. Zwischen ihnen und den aktuellen politischen Exponenten besteht ein Verhältnis gegenseitigen Nutzens, aber nicht unbedingt eines der Gemeinsamkeit. Die Nominierung eines Täve Schur zum Bundestagskandidaten ist augenfälliger Ausdruck des Verzichts auf politische Intervention zugunsten der Sicherung des eigenen Milieus.

Dieses Milieu ist stabil. Es reduziert sich eher aufgrund seiner Überalterung als wegen der Versuche repressiver Einflußnahme. Auch wenn einige ihrer Mitglieder ein positives Verhältnis zu den Verfassungsgrundsätzen vermissen lassen, Anlaß, sie unter Beobachtung zu stellen, ist das nicht.

Es wäre allerdings weit mehr als die historischen Schuldbetrachtungen früherer Auseinandersetzungen Gegenstand der Vereinbarung, sollte die SPD mit der PDS einen Tolerierungs- oder gar Koalitionsvertrag schließen wollen. Doch beides wird wohl nicht Gegenstand der gemeinsamen Politik sein. Denn das Umgehen beider Parteien miteinander beruht darauf, daß es voraussetzungslos ist. Bei der PDS, weil sie interne Brüche vermeiden will, bei der SPD, weil sie so am leichtesten eigenes Profil wahrt. Was in Sachsen-Anhalt vier Jahre lang praktiziert wurde, war lupenreine sozialdemokratische Politik. Die PDS hatte keinen Hebel, erkennbar eigene Spuren zu hinterlassen. Beider Politik ist am Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit orientiert und etatistisch geprägt. Die PDS unterscheidet sich allenfalls durch einen partiellen Maximalismus ihrer Forderungen. Den vermag die SPD auszubremsen, weil sie über die Ressourcen bestimmt und ihr die Vermittlung zwischen Landes- und Bundespolitik obliegt. Darin liegt ihre Stärke. Was Höppner in den nächsten vier Jahren schaffen könnte, was auch in den anderen ostdeutschen Ländern gelingen könnte, wäre eine erkennbar ost- sozialdemokratische Politik. Voraussetzung wäre ein stärkeres – dann gemeinsames – Absetzen von den Vorgaben der Bundespartei, eine partielle Konfrontation zur westlich geprägten Bundespolitik. Mit der Ablehnung der Großen Koaliton hat Höppner bereits ein deutliches Zeichen in diese Richtung gesetzt. Die PDS liefe bei einer solchen Politik Gefahr, zum Juso zu degenerieren – einem Juso allerdings, dem aufgrund seines Alters Lern- und Gestaltungsprozesse nicht mehr offen stehen. Dieter Rulff