Mit Kühlschränken und Herden Millionen scheffeln

■ Bosch und Siemens Hausgeräte macht richtig Gewinn. Vor allem das Geschäft in Osteuropa wird ausgebaut, doch droht wegen der Siemens-Atomgeschäfte ein Boykott in der Türkei

Berlin (taz) – Die Konkurrenz im Einzelhandel ist hart, und die Margen sind niedrig, ist allenthalben zu hören. Für die weiße Ware der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) scheint das nicht zu gelten. Die Gemeinschaftsfirma der beiden Konzerne legte gestern ihre Zahlen vor, und die waren von allgemeiner Rekordstimmung geprägt: Der Umsatz mit Kühlschränken, Herden oder Waschmaschinen stieg 1997 um neun Prozent auf 9,6 Milliarden Mark. Der Gewinn vor Steuern hat sich mit 448,5 Millionen Mark mehr als verdoppelt. Auch hinter den Markennamen Constructa und Neff stecken hierzulande Bosch und Siemens.

Der Konzern muß heftig in neue Fabriken investieren. Einerseits, weil die 30 Fabriken mit 32.000 Beschäftigen nach Auskunft der Geschäftsleitung am Rande ihrer Kapazität laufen. Andererseits, weil es gilt, neue Märkte zu erobern. Denn die Geschäfte in Deutschland und Westeuropa laufen zwar nicht schlecht, doch die Umsätze wachsen kaum noch. Schließlich ist die BSH mit einem Marktanteil von 35 Prozent in Deutschland bereits Marktführer vor der schwedischen Elektrolux mitsamt deren Marke AEG.

Doch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs tauchten plötzliche einige hundert Millionen neue Kunden auf. Von der Oder bis nach Wladiwostok würden viele gerne ihre realsozialistischen Waschmaschinen oder Backherde gegen neue tauschen. Und peu à peu haben viele Polen, Russen oder Ungarn auch das nötige Kleingeld dazu. Die Bosch und Siemens Hausgeräte hat reagiert. Millionen wurden in neue Werke in den einzelnen Ländern investiert. Für Osteuropa insgesamt peilt der Konzern einen Marktanteil von einem satten Fünftel an. Überhaupt sieht Vorstandschef Herbert Wörner die Firma auf dem Weg zum ertragsstärksten unter den fünf größten Hausgeräteherstellern der Welt.

Ein Fleck auf dem strahlend weißen Image sind dabei die Atomaktivitäten der Mitinhaberin Siemens AG. Deren Kraftwerkssparte KWU ist einer der Hauptlobbyisten für Atomenergie in Deutschland, Osteuropa und anderswo. Auch in der Türkei bewirbt sich Siemens KWU zusammen mit der französischen Framatome um den Bau des ersten AKW des Landes in Akkuju. Und deswegen drohen dortige Anti-Atom- Gruppen mit einem landesweiten Boykott der Siemens-Hausgeräte, so eine Aktivistin der Istanbuler Antinuklear-Plattform kürzlich bei einem Besuch in der Bundesrepublik – ähnlich dem Boykott, den die Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW) in Deutschland ausgerufen haben.

Akkuju liegt in der Nähe der Stadt Silifke an der südlichen Mittelmeerküste östlich von Antalya. In der Türkei gibt es einigen Protest gegen das Projekt – nicht nur, weil das Land damit in die teure Atomwirtschaft einsteigen würde, sondern weil Akkuju in einem erdbebengefährdeten Gebiet liegt. Bis Ende Juni will die türkische Regierung entscheiden, wer von den drei Bewerbern den Zuschlag erhält. Reiner Metzger

Info zur Aktionswoche Siemens- Boykott 8.–14. Juni: IPPNW, http://www.ippnw.de , Tel.: (06221) 758877. Antinuklear-Plattform: aynur_sungur@info-ist.comlink.

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