Der „Rächende Jaguar“ bekennt sich zu Mordserie

■ Seit dem Tod von Weihbischof Gerardi reißt die Kette der Attentate in Guatemala nicht ab. Todesschwadron schickt neue Morddrohungen an linke Politiker und Menschenrechtsaktivisten

San Salvador (taz) – Ein irrer Einzeltäter wäre der guatemaltekischen Regierung am liebsten gewesen. So nahm sie vier Tage nach dem Mord an dem Menschenrechtler und Weihbischof Juan Gerardi einen 24jährigen Alkoholiker als „Hauptverdächtigen“ fest. Jetzt liegt ein Bekennerbrief vor. Die Todesschwadron „Jaguar Justiciero“ (Rächender Jaguar) behauptet, sie habe Gerardi am 26. April umgebracht.

Der Bekennerbrief trägt das Datum vom 27. April. Er ging am Mittwoch bei Carlos Catu Otzoy ein. Otzoy tritt bei den Kommunalwahlen im Juni in der Gemeinde San Juan Comalapa als Bürgermeisterkandidat an für ein Bündnis aus der linksgerichteten Demokratischen Front Neues Guatemala (FDNG) und der Partei der ehemaligen Guerilla, der National- revolutionären Einheit Guatemalas (URNG). „Wir wollen dein Blut sehen“, heißt es in dem Schreiben. „Wir schicken dir ein wenig von dem Blut von Weihbischof Gerardi, den wir Sonntag nacht umgebracht haben. Alle Kandidaten von FDNG und URNG werden sterben“, droht der „Rächende Jaguar“.

Zum Beweis ihrer Entschlossenheit behauptet die Todesschwadron, schon am 1. April 1994 sogar den Präsidenten des Verfassungsgerichts, Epaminodas Gonzáles, ermordet zu haben.

Seit dem Mord an Gerardi reißt die Kette der Attentate und Todesdrohungen gegen Linke und Menschenrechtsaktivisten nicht mehr ab. Am 6. Mai war der FDNG-Bürgermeister von Santa Cruz de Quiche erschossen worden. Vor zwei Tagen wurde auf den FDNG-Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Dolores geschossen. Zweimal warfen Unbekannte Handgranaten in die Häuser ihrer Opfer: Kurz nach dem Mord an Gerardi traf es die Wohnung eines Journalisten, der über ein Massaker der Armee aus dem Jahr 1995 recherchiert hatte. Am vergangenen Wochenende wurde das Haus von Miguel Angel Albizúrez angegriffen. Albizúrez gehört zum Präsidium der Allianz gegen die Straffreiheit, einem Dachverband diverser Menschenrechtsgruppen, der sich gegen eine Generalamnestie für die Verbrechen des Bürgerkriegs einsetzt.

Vorsorglich wurde inzwischen der Personenschutz für den Vorsitzenden der Wahrheitskommission, Christian Tomuschat, verstärkt. Der Berliner Völkerrechtler wird Ende Juli den im Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla vereinbarten Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Bürgerkrieg vorlegen. Toni Keppeler