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■ Eine PolemikOh, Du sündiger Senator Perschau!

Die neueste Special-Ausgabe des Bremer widmet sich der Ökologie. Biokochen, Biobauen, Bioreisen oder Biogeldausgeben – jede Lebensäußerung, zu der der Homo sapiens in der Lage ist, wird vollkornmäßig aufbereitet. Zum Einstieg in die kompostierbare Blattansammlung gestehen, quasi als symbolischer Ablaß für die eigene Schlechtigkeit, Bremer Promis ihre größte Ökosünde.

Auch unser aller Bürgermeister Hartmut Perschau eröffnet tiefe Einblicke in die dunkelsten Ecken seiner pechschwarzen Christdemokratenseele. „Wenn Autofahren eine Öko-sünde ist“, beginnt der Bürgermeister seine Beichte, „dann ist dies meine größte.“ Richtig Hartmut, gleich in die Offensive gehen: Sollte die Versiegelung riesiger Landflächen durch Betonpisten, die Verseuchung der Luft durch Abgase oder die Niedermähung tausender von Menschen im alltäglichen Straßenverkehr tatsächlich kritikabel sein; sollte jemand also wirklich dermaßen kleinkariert sein und all diese Nebensächlichkeiten sündig finden: Dann, na gut, dann ist der Hartmut eben auch ein Sünder.

„Ich fahre gern Auto“, fährt er fort, „vor allem Mercedes-Benz, auch angesichts der Tatsache, daß dieses Unternehmen ein wichtiger Arbeitgeber in unserer Stadt ist.“ Wenn das so ist: Süppelt der Mann auch Kaffee bis zum Herzklabastern, futtert Schokolade bis zum Darmverschluß und betet allabendlich „Beck's im Himmel, geheiligt sei Dein Name“? Nehmen wir das Gesicht Perschaus zum Maßstab, das einem krebsrot von der Seite entgegenleuchtet, wird man dem Bürgermeister diesbezüglich mangelnden Einsatz nicht vorwerfen können.

Doch der Perschausen Weisheiten damit nicht genug. Sollte er es mal zum Umweltminister bringen, wolle er sich für den Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen stark machen. Also Kernseife statt Palmolive? Sojasteaks statt Schweineschnitzel? Fünf Mark für den Liter Benzin? Weit gefehlt! Um die Welt vor dem ökologischen Bankrott zu retten, muß man laut Perschau in erster Linie „Entwicklungspolitik als weltweite Umweltpolitik begreifen“. Will sagen: „Umwelttechnologie made in Germany“ gilt es zu verbreiten. Denn damit könne schließlich „die Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt“ behoben werden.

Spüren Sie das auch, werte LeserInnen? Diese aus zahllosen Hans-Meiser-Nachmittagstalks bekannte „Ja, auch ich bin ein Sünder“-Outing und trotziges „Ich bin dennoch stolz, ein Perverser zu sein“-Weltsicht, die den Text durchzieht? Diese unverblümt zu Tage tretende Kolonialisten-Attitüde, den Entrechteten dieser Welt via „Umwelttechnologie made in Germany“ das letzte Geld aus den Lumpen zu nudeln, damit sie überflüssige Sachen wie Bremer Öko-Benze kaufen und so Perschau Spritztouren durch das bald planierte Hollerland ermöglichen?

Ist Perschau eigentlich ökologisch abbaubar? Vermutlich nicht. So viele Rosenkränze kann er in diesem Leben nicht mehr runterbeten, als daß sein von der Sünde kontaminierter Leib am Ende der Tage nicht doch neben alten ausgemusterten Autobatterien entsorgt werden müßte. Aber das wird Perschau ja freuen – auch im Tod der Sünde noch so nah sein zu dürfen. Franco Zotta

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