Revolte der bosnischen Kroaten

Gegen den Willen des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman wählen die Delegierten der bosnisch-kroatischen HDZ eine extremistische Führung  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Die Gesichter der Abgesandten des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman wurden während des Kongresses der bosnisch-kroatischen Nationalpartei HDZ am letzten Wochenende in Mostar immer länger. Obwohl mit Ivica Paselić einer der engsten Berater des kroatischen Präsidenten angereist war, wählten die Delegierten mit Ante Jelavić einen Hardliner zum Vorsitzenden der „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ in Bosnien-Herzegowina. Die Führung der Schwesterpartei in Kroatien sowie das Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Kresimir Zubak, hatten dagegen für den moderateren Bozo Ljubić votiert.

Die Schlappe Tudjmans in Mostar könnte zu einer noch härteren Linie der internationalen Gemeinschaft gegenüber Kroatien führen. Schon jetzt zeigen auf dem Finanzsektor die Drohungen Wirkung, ein Embargo gegen Kroatien zu verhängen. Zwei bekannte Banken in Dubrovnik und Karlovac sind zusammengebrochen. Die internationale Gemeinschaft verlangt von Kroatien, sowohl die Rückkehr der 1995 geflohenen Serben Kroatiens zu ermöglichen wie auch in Bosnien-Herzegowina auf die bosnischen Kroaten in der Westherzegowina mäßigend einzuwirken, um das Abkommen von Dayton zu verwirklichen. Tudjman hat in den letzten Wochen Entgegenkommen signalisiert. So wurden die örtlichen Behörden angewiesen, die Rückkehr der geflohenen Serben zu erleichtern.

Mit der Wahl von Ante Jelavić zum HDZ-Vorsitzenden in Bosnien-Herzegowina zeigt sich, daß der Arm Zagrebs nicht mehr ganz nach Mostar reicht. Konnte vor dem Tod des einflußreichen und aus der Herzegowina stammenden kroatischen Verteidigungsministers Gojko Susak eine Balance gehalten werden, wobei sich oftmals die Vorstellungen der westherzegowinischen Extremisten in Zagreb durchsetzten, so wurde jetzt in Mostar ein Zeichen gesetzt: Die westherzegowinischen Extremisten wollen auf eigene Faust versuchen, ihren mit dem Abkommen von Dayton aufgelösten Staat Herceg-Bosna doch noch zu retten.

Andererseits, so vermuten kroatische Oppositionelle, könnte sich Zagreb gezwungen sehen, nun stärker von den westherzegowinischen Extremisten abzurücken. Der neue Verteidigungsminister Kroatiens, Andrija Hebrang, gilt keineswegs als Freund der westherzegowinischen Kreise, die in der Wirtschaft und Politik Kroatiens eine große Rolle spielen.

Ohnehin ist in den letzten Jahren in Kroatien die Stimmung gegen die „westherzegowinische Mafia“ in regelrechte Aggression umgeschlagen. Da Tudjman immer deutlicher von seinem Krebsleiden gezeichnet wird und mit seinem Ableben gerechnet werden muß, müssen die westherzegowinischen Extremisten um ihren Einfluß in Zagreb fürchten. In Mostar zeigten sie jedenfalls, daß sie ihrerseits einen Bruch mit Zagreb in Kauf zu nehmen bereit sind.