Gute Menschen oder gute Eliten?

■ Auf dem Fachtag „Qualität von Schule“ suchte die GEW nach klarer Haltung zu den in Mode gekommenen Schulvergleichtests

Geschichte wiederholt sich kein zweites Mal. Aber das schließt Déjà-vu-Effekte nicht aus. So wünschen sich etwa Industrie- und Handelskammern, daß auf Schulzeugnissen „wieder Pünktlichkeit, Zuverläßigkeit, Sauberkeit und Ordnung bewertet würden“. Das berichtete Marianne Demmer den LehrerInnen, die den von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) organisierten bildungspolitischen Fachtag "Qualität von Schule“ im Institut für Schulpraxis besucht hatten. Das erinnert an jene überwunden geglaubten Zeiten, als kritische Menschen noch an der Bemerkung „ungenügend“ zu erkennen waren, die sich hinter den Rubriken Fleiß und Betragen auf ihrem Schulzeugnis fand. Doch für Demmer, Leiterin des Bereichs Schule beim GEW-Hauptvorstand, steckt hinter dieser Kammerforderung mehr als nur Nostalgie. Die Schulen stehen, sagte Demmer, sich nicht erst seit dem Bremer Kienbaum-Gutachten zum LehrerInneneinsatz, der internationalen Vergleichstudie TIMSS und dem vorerst gescheiterten Bremer USUS-Test unter einem Rechtfertigungsdruck. Der zwinge die Schulen zunehmend, ihre Lehr- und Lernerfolge via statistischer Erhebungen transparent und vergleichbar zu machen. Doch die Frage, ob dies pädagogisch sinnvoll und wissenschaftlich seriös überhaupt machbar ist, verschwinde völlig hinter immer neuen Erhebungen, die Deutschland zu einer bildungspolitischen Niete und für mangelhaft gerüstet im Ringen mit JapanerInnen und AmerikanerInnen um Weltmarktanteile erklären.

Ideologiekritik war da gefragt. Was ist also der eigentliche Zweck dieser Schulvergleichstests?, lautete die immer wieder gestellte Frage während des Fachtags. Dienen sie tatsächlich der langfristigen Verbesserung der Ausbildung? Oder bilden sie nicht doch eher die Grundlage für Schulrankings, anhand derer immer knapper werdende Haushaltsmittel so verteilt werden können, daß schließlich Elitenförderung an gut bewerteten Schulen erfolgen kann, während „schlechte“ Schulen nur noch eine Minimalförderung erhalten?

Jedoch war trotz dieser massiven Skepsis unübersehbar, daß unter den LehrerInnen ein ausgeprägtes „Bedürfnis nach solchen Vergleichen“ besteht, wie es ein Teilnehmer formulierte. Denn der Unterricht entfalte sich oft im luftleeren Raum. Ob die eigene Klasse besser oder schlechter als der Durchschnitt sei, bleibe wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten oft unbeantwortet. Zudem könnten die Tests ein Problem lösen, das unter LehrerInnen und in der GEW ein Tabu sei. Denn mit Vergleichstests könne unter Umständen gezeigt werden – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen der jeweiligen Klassen und Schulen sind vergleichbar – ,daß einige LehrerInnen ihren Job nicht gut genug ausübten und deshalb zur Rechenschaft gezogen werden müßten.

Doch so lange sich die Debatte um die Leistungsvergleiche vor dem Hintergrund ungeklärter Zielsetzungen und Interessenslagen abspielen, sind diese Tests aus GEW-Sicht mit Vorsicht zu genießen. Nicht einmal das immer wieder zitierte Urteil, Bayern und Baden-Württemberg bringe aufgrund der Zentralabitursregelung klügere SchülerInnen als andere hervor, wollte Demmer gelten lassen. „In diesen Bundesländern wird einfach mehr Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften erteilt.“ Der Effekt: Am Ende der Grundschule haben bayerische Kinder 160 Stunden mehr Matheunterricht gehabt als etwa Kinder in NRW. „Das ist in der Summe ein ganzes Schuljahr mehr Mathematikunterricht“, rechnete Demmer vom GEW-Hauptvorstand vor. zott