(K)ein leichter Tod Von Reinhard Krause

Letztens war es wieder einmal soweit. „Magst du mir einen Gefallen tun?“ Ja klar. „Fabelhaft! Dann gieß doch bitte bei mir die Blumen“, sagte meine Tante. „In ein paar Tagen bin ich wieder da.“ Nichts einfacher als das. Dachte ich bis zu ihrer Abreise. Weil ich da noch nicht wußte, daß meine Tante auch Primeln und Usambaraveilchen wie Sumpfpflanzen behandelt. Zwar benutzt sie normale Blumenerde, die Wassermengen in ihren Töpfen erinnern allerdings fatal an Hydrokultur. Entsprechend trostlos und matt steckten die armen Dinger in ihren wenig artgerechten Feuchtbiotopen. Was sollte ich also tun? Fröhlich weitergießen und den Tod der Pflanzen in Kauf nehmen? Eine künstliche Dürreperiode einleiten? Gewissensfragen.

Mir kam ein ähnlich gelagerter, allerdings dramatischerer Freundschaftsdienst aus meiner Jugend ins Gedächtnis. Damals hatte mich mein Stiefbruder gebeten, für zwei Wochen seine Skalare zu hüten – Sie wissen schon: diese rhombenförmigen Fische, die Zebras der Aquaristik. Eine Woche ging auch alles gut. Dann schwamm der erste tot an der Oberfläche. So etwas Häßliches hatte ich selten gesehen: Sein hinteres Dreieck war von einem dicken Schimmelpilz befallen, was seine Artgenossen allerdings keineswegs daran hinderte, ihn als willkommenes Beifutter zu betrachten. Fix war der Kescher geholt und der tote Fisch in der Mülltonne versenkt. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Am nächsten Morgen japste der nächste nach Luft. Auch sein Hinterteil war völlig moosig. Unkoordiniert und sichtbar unwohl trudelte er im Wasser. Ein Bild des Jammers. Gott im Himmel, jetzt mußte ich auch noch Sterbehilfe leisten! Bloß wie? Mein Vater meinte: „Wirf ihn ins Klo.“ Da stirbt er doch noch qualvoller! „Dann leg ihn auf eine Untertasse und gib ihm eins mit dem Hammer über den Kopf, das geht am schnellsten.“ Meinst du? „Ja sicher, aber nimm eine Plastikuntertasse, sonst haust du noch alles kaputt.“

Schweren Herzens holte ich das moribunde Tier aus dem Becken, legte es auf eine Untertasse und begab mich in den Werkzeugkeller. Insgeheim hoffte ich ja, daß der Fisch in der Zwischenzeit vielleicht doch noch von sich aus versterben könnte. Wäre doch auch für ihn schöner gewesen. Doch nichts da, er japste wie eh und je. Zum Glück fiel mir der Holzhammer ein: Wenn schon Mord, dann doch bitte so soft wie möglich. Vorsichtig holte ich aus. Plöpp. Iiiih! Der Fisch rang heftig nach Luft. Eigentlich war er auch noch völlig intakt. Nur die Augen waren ihm aus dem Kopf gefallen und lagen jetzt wie Pastillen auf dem Plastiktellerchen! Was hatte ich aus schierer Gutherzigkeit bloß angerichtet? Entsetzt holte ich ein zweites Mal aus, diesmal heftig. Bams, aus, vorbei. Eilig lief ich nach oben und warf den nun doch etwas matschigen Kadaver mitsamt den Pastillen ins Klo.

Mit den Blumen meiner Tante hatte ich dann doch etwas mehr Glück: Nur ein klägliches Primelrudiment überlebte meine Alledreitagekönntereichen-Strategie nicht. Also kaufte ich die mickrigste Primel, die ich auftreiben konnte, kniff die Blüten ab und setzte alles gründlich unter Wasser. „Mensch, du hast ja das grüne Händchen!“ jubelte meine Tante. Hhm, ja. Mörderhändchen.