The next plateaux

■ DJ Premier von Gang Starr und RZAs Gravediggaz hieven HipHop von der Ostküste auf eine neue Stufe

So langsam werden sie zynisch. Vor knapp einem Jahrzehnt wollten Gang Starr noch wortreich eine Zeitenwende einläuten und das „Jazz Thing“ – als „Alternative zu den Gangs“ (DJ Premier), aber nicht als Befriedung von sozialen Konflikten durch Kunst – in der black community etablieren. Doch das wurde ihnen von den eigenen Leuten kaum gedankt. Ihre Anerkennung holten sie sich in Übersee, wo sie - keine Selbstverständlichkeit im HipHop - auch regelmäßig tourten. Zu Hause, in Brooklyn, warf man Guru und DJ Premier Ausverkauf vor. Ein Vorwurf, der mit Gurus Jazzmatazz-Projekt zum Chor anschwoll und von Premiers Arbeiten für Jeru The Damaja und KRS One wieder ausgeräumt werden mußte.

Mit den drei folgenden Alben, Step In The Arena, Daily Operation und Hard To Earn, unternahmen Gang Starr den im HipHop fast unmöglichen Versuch, Rückhalt in der Szene herzustellen und gleichzeitig alle Elemente zu verfeinern. Immer wieder hat sich Guru auch in gerappter Form darüber beschwert, daß ihm nicht die gebührende Ehr' erwiesen wird, so daß er immer noch nicht von Gang Starr leben kann. Und das ist bei einem Rapper, der Konzentration, Reimfluß und Präzision zusammenführt beileibe keine Selbstüberschätzung.

Jetzt ist er das Gejammer leid. „Neue Rapstile werden heute wie neue Pizzarezepte gehandelt“, resümiert er seine Erfahrungen gleich im ersten Stück von Moment Of Truth und verweist auf einen anderen zum Zyniker mutierten Kämpfer: Chuck D von Public Enemy. Das alles hat Guru aber nicht davon abgehalten, auf Moment Of Truth noch die größten Gegensätze mit seinem Reimfluß zusammenzuhalten: machistische Ausfälle, Farrakhans Thesen, Huldigungen der Familie und der Straße, Sozialkritik und was weiß ich noch alles. Dazu hat Premier seine Technik, auch Altbackenes so lange zu kneten, bis ganz neue Brötchen aus dem Sampleofen kommen, noch weiter ausgebaut. Kein Wunder, daß die Musikzeitschrift Spex ins Schwärmen gerät: „eine neue Klassik, ein next plateau, eine komplette Absorbtion aller Eleganz-Gewinne der letzten HipHop-Jahre“.

Bestimmt wurden diese letzten Jahre von keinem mehr als von RZA, dem Wiederbeleber und musikalischen Meister des Wu- Tang Clans. Zusammen mit Prince Paul – einem ehemaligen Daisy-Age-Produzenten, der sich nach ähnlichen Erfahrungen wie Gang Starr den düsteren Seiten seiner Seele zuwandte – rief er die Gravediggaz ins Leben. Deren erstes Album, Niggamortis, steckte mit Horrorcore gleich ein neues Subgenre ab und wies den Clan fast in die Schranken.

Doch Prince Paul hat schon wieder aufs falsche Pferd gesetzt. Denn der allmächtige RZA duldet keine Partner, und so ist er für The Pick, The Sickle And The Shovel mehr oder weniger freiwillig ins zweite Glied gerückt und wird auch live nicht mit von der Partie sein. Sehr wohl auf der Bühne stehen werden die beiden Rapper Poetic als der Sensenmann und der Ex-Stetsasonic Frukwan als gestrenger Torwächter.

Die Rollen sind klar verteilt in diesem Stück, das immer den Tod und die an ihm hängenden Berufe zum Thema hat. Neben dem körperlichen Dahinscheiden durch Drogen, Freitod und Schußwaffen geht es um verschiedene Grade mentalen Sterbens – von Geisteskrankheiten bis zu Denkschranken aller Art. Immer sind die Stimmen ganz vorne dabei. Es wird gespuckt, gebellt, gejohlt, aber auch präzise und dicht formuliert. In jeder Silbe steckt der Mitteilungsdrang von Frukwan, Poetic und von RZA selbst. Sie teilen nichts beiläufig mit oder in einen Fluß gegossen wie bei Guru. Ausdrucksnot as it's best. Und beim Nachdenken über die Masken des Todes verfliegt mit einem Mal auch jeder Zynismus.

Volker Marquardt Gang Starr, Das EFX, M.O.P.: So, 24. Mai / Gravediggaz: Mi, 27. Mai, jeweils 21 Uhr, Markthalle