Wilhelmsburger Arschgesicht

„Affe wirft mit Kot“: Markus Winters neuer, böser, grandioser Bröse Zwo-Comic  ■ Von Ole Frahm

röse Zwo hat viele Gesichter. Er veröffentlicht in Wilhelmsburg ein stadtteilbekanntes Schmierblatt, er ist arbeitslos, ist Derrick, einer der todbringenden Götter im weißen Kittel und der unerbittliche Herr vom lahmen, stummen Robert. Doch welche Gestalt Bröse Zwo auch annehmen mag, immer ist und bleibt er Kleinbürger. Nicht selten erinnert sein Gesicht an einen Arsch. Bröse Zwo hat keine große Macht und ist darum im Kleinen um so tyrannischer. Er weiß, daß die Asylanten dafür verantwortlich sind, wenn sein Auto kaputtgeht, er kennt viele Methoden, Haustiere, Nachbars Kinder und Robert zu quälen.

Kleinanzeigen sind seine Welt: Dort, wo Dudelsäcke neben einem Treppen-Lift und Telefonsex angeboten werden, finden wir diesen dicken, selbstgefälligen und biertrinkenden Mann, „der schneller scheißt als sein Schatten“. Er sammelt die tollen Nutella-Pogs mit den Spielern der Nationalmannschaft und Briefmarken, auf denen Lady Di verewigt ist. Kurz: Bröse Zwo ist einer der vielen Gründe, warum sich das erbärmliche Leben in diesem Land so schwer ertragen läßt. Für ihn haben immer die anderen Schuld, für ihn gibt es immer einen Robert, den er treten kann, wenn er selbst schon am Boden liegt.

Und Bröse Zwo ist die Comic-Figur, der sich der ehemalige Wilhelmsburger Markus Winter bevorzugt widmet. Der verdienstvolle Hamburger Zwerchfell-Verlag hat gerade das zweite Heft mit Bröse Zwo veröffentlicht: Affe wirft mit Kot.

Im Affen des Titels portraitiert sich Markus Winter selbst, der in den ausgezeichnet gezeichneten Bröse Zwo-Comics mit Kot wirft. Weil er sich zu diesem Zweck auf die eigene Hand scheißen muß, hat Bröse Zwo dafür nur ein Lachen übrig, ohne zu ahnen, wo das endet. Markus Winter macht sich die Finger mit der grauen Tusche seiner Panels schmutzig, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß er keine bessere Alternative zu seiner eigenen Kleinbürgerlichkeit weiß, als Comics über die Bröse Zwos dieser Welt zu ersinnen.

Dieser Affe hört nicht nur, sieht und spricht, er schmiert uns – bevorzugt Männern – zu unserer Freude seine Fäkalien in die Augen, die wir uns noch so verwundert reiben können: Wir sind es, die Winter zeigt, obwohl wir doch die ganze Zeit glauben möchten, daß Bröse Zwo immer nur die anderen sind, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Das Prinzip Bröse Zwo klebt an den Bürgern dieser Nation über alle politischen Lager hinweg wie Hühnerdreck. Es zu verlachen, ist Winters großes Verdienst.

Affe wirft mit Kot übt so einen Humor ein, dessen Politik nicht das ist, was uns die Zeitungen dieser Welt als Politik weismachen wollen. Winters Pornographie des gewohnt pornographisch-kapitalistischen Alltags provoziert ein bitteres Lachen, das im besten Fall die politische Handlungsfähigkeit erhöht, weil es alle arroganten Illusionen über linke und jede andere moralisch saubere Überheblichkeit anscheißt.

Als einziger Einwand gegen Winters höhnisches Gelächter bleibt, daß das Comic-Heft dauerhaft nicht das Medium für eine Figur des Kalibers Bröse Zwo ist. Zwar scheint momentan kaum eine Tageszeitung auf dem Markt, die mit einem Comic-Strip ihre Auflage erhöhen könnte, in dem Tag für Tag der lahme Robert die Treppe hinuntergestoßen würde und in dessen letztem Panel Bröse Zwo erneut erfreut „CDU!“ ausruft. Aber der Kanzlerkandidat der SPD bereitet gerade zielstrebig das Terrain für eine solche Publikation: „CDUSPD!“ Noch ist Bröse Zwo ein Kind der letzten sechzehn Jahre Obst- und Gemüsegartenherrschaft, die große Koalition aber könnte ihn über die Grenzen eines Kleinverlages populär machen.

Markus Winter: „Bröse Zwo – Affe wirft mit Kot“. Zwerchfell Verlag, Hamburg 1998. 9, 80 Mark