High-Tech-Geräte und Meeresrauschen im Rathaus

■ Heute eröffnet in der Unteren Rathaushalle die vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften MARUM konzipierte Meeresausstellung

Brüllende Hitze in der Stadt. Seit Wochen schleichen sonnenverbrannte HanseatInnen deprimiert die Weser entlang, auf der aussichtslosen Suche nach einer kühlsteifen Brise. Wer sehnt sich angesichts dieser Zustände nicht danach, mit einem kühlen Magnum in der Badebekleidung am Meer entlang zu schlurfen und bei jedem Schritt ein unschuldiges kleines Müschelchen mit gezieltem Tritt ins Meer zu befördern?

Normalerweise potenzieren solche irrealen Tagträume nur die miese Laune. Aber zuweilen reicht das Schicksal dem sehnsuchtsvoll Schmachtenden seine Hand und sagt: „Hey Du, gramgebeugter, sonnenverbrannter Hanseat, Du! In der Unteren Rathaushalle werden Deine Wünsche in Erfüllung gehen! Und in der Tat: Was erblicken die entzündeten Augen ebendort? Strand, kleine Dünen, Algen, Muscheln, selbst eine Seerobbe lächelt dem Erstaunten ins Gesicht: Das Meer ist zu Gast im Rathaus!

Eingeladen hat es Gerold Wefer, Vorsitzender des marinen Forschungsverbundes MARUM und Professor für Meeresgeologie an der Uni Bremen. Allerdings nicht deshalb, weil ihm das warme Wetter der letzten Wochen zu schaffen gemacht hätte. Vielmehr soll die Ausstellung im „Internationalen Jahr des Ozeans“ dazu beitragen, in der Bevölkerung das Wissen über das Meer und dessen Bedeutung für Klima, Flora und Fauna zu erhöhen. Und zugleich wollen die MARUM-Mitglieder Einblicke in die spannende Arbeit eines Meeresforschenden eröffnen.

Drum tummeln sich neben diversen Schaukästen und Informationstafeln zu den Themen „Der Ozean und das Klima“ und „Lebensraum Küste“ auch Echolote, Mikroskope und Meßgeräte aller Art, die nachhaltig den Eindruck zerstören, Meeresforschung benötige nicht mehr als meerwassergefüllte Reagenzgläser und Typen à la Jacques Cousteau. Doch auch der verträumte Muscheltreter kommt auf seine Kosten. Rechts neben der ausgestopften Seerobbe finden sich allerliebst aufgereiht die furchterregende Murex Pecten aus Honduras neben Calliostoma annulatum und der Philippinin Conus Mustellinus. Selbst eine neuseeländische Anhäufung aus Dreck und Kalkteilchen hat den beeindruckenden Namen Xenophora Pallidula erhalten und gibt sich laut Schautafel tatsächlich als Muschel aus. Unweit von ihr finden sich gar furchterregende Exemplare von der Größe von King Kongs Füßen.

Überhaupt tummeln sich im Meer gar zu eigenartige Wesen. Foraminiferen etwa kennt keine Sau und doch gibt es sie wie Sand am Meer. Genauer: Sie sind der Sand am und im Meer – winzige Viecher, die einst durch die Wellen surften, abstarben und deren Kalkgehäuse seit Jahrmillionen zu Boden rieseln und dort den Meeresboden und schließlich die Strände überziehen. Wer mag, kann sie sich unter dem Mikroskop anschauen und darüber staunen, wie gedankenlos er bisher seine Füße durch Leichenberge gewalzt hat. zott

Die Ausstellung läuft bis 2. Juni täglich von 10-18 Uhr