Ärzte fühlen sich vom Aufschwung ausgeschlossen

■ Wenn Mediziner Politik machen, geht es ihnen ums Geld. In Köln begann der 101. Deutsche Ärztetag. Vor der Bundestagswahl zeigt Ärztepräsident Vilmar der SPD die kalte Schulter

Köln (AP/taz) – Die Ärzteschaft lehnt die gesundheitspolitischen Vorstellungen der SPD rigoros ab. In einem Strategiepapier fordert die Partei die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung von derzeit 6.300 auf 8.400 Mark und die Öffnung der Kassen für Selbständige und Beamte. Für Ärztepräsident Karsten Vilmar sind dies „reine Geldbeschaffungsmaßnahmen“, aber keine Lösung der erheblichen Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens. Mit dieser harschen Kritik eröffnete Vilmar gestern in Köln den 101. Deutschen Ärztetag.

Vilmar verlangte, den Arbeitgeberanteil an den Kassenbeiträgen festzuschreiben. Außerdem soll die beitragsfreie Mitversicherung bei kinderlosen Ehepaaren abgeschafft werden. Seit Monaten plädieren die Ärzte für eine Mehrbelastung der Versicherten. Die SPD konterte gestern gelassen. Mit einer SPD-Regierung werde es nicht möglich sein, die Grundprinzipien der Krankenversicherung außer Kraft zu setzen, sagte Klaus Kirchner, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD. Er forderte seinerseits die Ärzte dazu auf, sich lieber bei der Bekämpfung der „Milliardenverschwendung im Gesundheitswesen zu engagieren“. Den Medizinern gehe es offenbar darum, mehr Geld ins Gesundheitssystem zu pumpen, um sich höhere Honorare zu genehmigen.

Auf dem Ärztetag geht es zu wie in der hohen Politik. 250 Delegierte vertreten die 350.800 deutschen Mediziner des Landes. In einzelnen Fragen wird erbittert gestritten, einig ist man sich im allgemeinen bei der Forderung nach mehr Geld. Derzeit kommt in Deutschland ein Mediziner auf 290 Einwohner, 1955 waren es noch 821, die sich einen Arzt teilen mußten. Die Arztdichte steigt stetig, aber Quantität fördert beileibe keine Qualität. Mindestens 30 Prozent aller erbrachten medizinischen Leistungen hätten gar keinen gesundheitlichen Nutzen, stellte kürzlich Gesundheitsforscher Ulrich Laaser fest. roga