„Opposition stört die Harmonie der Gesellschaft“

■ Präsident Suharto stützte sich bisher auf das Militär und eine konservative Auslegung des Islam. Heute möchte der Diktator nicht nur seine Haut, sondern auch sein Vermögen retten

Präsident Suharto hat schon zu Lebzeiten dafür gesorgt, daß die Nachwelt ihn nicht vergißt. Hoch oben auf einem Berg in Zentraljava ließ er ein Mausoleum für sich und seine Familie errichten, eine Pilgerstätte mit Teaksäulen und Marmorböden – wie es dem Herrscher über 200 Millionen Menschen geziemt. Sein Platz neben Ehefrau Tien ist fertig. Die Inschrift: „Papa Suharto“.

Ohne die Unterstützung der 450.000 Mann starken Armee hätte Suharto freilich nie die Höhen von Macht und Reichtum erklommen, die seine Herrschaft auszeichnen. Mit Hilfe einer Fraktion des Militärs kam der ehemalige General 1965 an die Macht. Im Zuge des vom CIA unterstützten Putsches wurden Schätzungen zufolge etwa 500.000 Menschen ermordet, vor allem Kommunisten. Heute durchdringt die Armee alle Ebenen der zivilen Gesellschaft. Ihre Spezialeinheiten haben seit den sechziger Jahren mehr als eine Million Oppositionelle in Gefängnisse und Sraflager gebracht.

Eine zweite Säule von Suhartos Herrschaft ist der Islam. 87 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Die Geistlichen haben seine „neue Ordnung“ unterstützt, weil sie Kommunisten und Sozialisten bekämpft. Suharto ließ sogar eine neue Organisation gründen, die „Indonesische Vereinigung muslimischer Intellektueller“ (ICMI).

Wer ausscherte, wurde prompt bestraft. So verlor der Oberbefehlshaber der Armee, Benny Murdani, 1988 das Vertrauen seines Chefs, weil er es wagte, die Geschäfte der Familie zu kritisieren, und versuchte, das Militär der direkten Kontrolle des Präsidenten zu entziehen. Und Amien Rais, Chef der 28 Millionen Mitglieder starken islamischen Muhammadiya-Organisation, wurde letzes Jahr aus dem Vortsand des ICMI entlassen, weil er ebenfalls die Geschäfte Suhartos kritisiert hatte.

Opposisition, so argumentiert der Präsident, zerstöre die „Harmonie der Gesellschaft“. Unliebsame Kritiker werden als „Kommunisten“ oder „Subversive“ verfolgt. Alle vereint ein Gedanke: Suharto und sein Clan müssen die Macht verlieren. Doch über das, was danach kommt, gibt es keine gemeinsamen Vorstellungen. Auch unter den Muslimen ist umstritten, ob Indonesien ein islamischer Staat werden soll. So ist auch der Zustand der Opposition ein Ergebnis des repressiven Systems.

Im Sinne seines Erfinders hat das System durchaus funktioniert: Indonesien gedieh zu einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht mit einem jährlichen Wachstum von etwa sieben Prozent. Nach offiziellen Statistiken verbesserte sich die Lage der Menschen deutlich: 1997 lebten 11 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, 1980 waren es noch 40 Prozent. Auch das Einkommen stieg, im vergangenen Jahr auf durchschnittlich fast 1.000 Dollar. 1960 waren es noch 80.

Doch der Preis für diesen Erfolg ist hoch. Wie hoch, zeigte sich, als die südostasiatische Wirtschaftskrise auf Indonesien übergriff und die vom IWF angeordneten Preiserhöhungen letzte Woche zu blutigen Ausschreitungen und Plünderungen führten. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich dramatisch vertieft. Das Wachstum beruhte vor allem auf extrem niedrigen Löhnen, Millionen von Arbeitern verdienen ungeachtet der schönen Statistiken umgerechnet drei Mark am Tag.

Richtig reich ist nur eine kleine Schicht – vor allem der Suharto- Clan. Der Patriarch sorgte dafür, daß seine verstorbene Ehefrau und seine sechs Kinder an jedem wichtigen Geschäft beteiligt werden. Das Familienvermögen wird auf 40 Milliarden Dollar geschätzt. Das entspricht etwa dem Betrag, den ausländische Geldgeber für das geplante Indonesien-Hilfspaket des IWF lockermachen sollen. Der Suharto-Clan könnte das Land also aus eigener Tasche sanieren. Schon aus Eigeninteresse ist Suharto an einem langsamen Übergang der Macht in die richtigen Hände interessiert. Denn er will nicht nur seine Haut retten. sondern auch sein Vermögen.

li/bs